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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
Autoren: László Darvasi
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ihres Bauchs, die Härte ihrer Knochen. Ein Körper, der etwas anderes will, als was ist. Das viele Wollen macht den Menschen kaputt. Und auch Pamela Krv will etwas. Sie denkt, sie geht der Sache auf den Grund. Da sehen wir ja gut aus! Während ihre Seele still ist. Ihre Seele schläft. Ist ohnmächtig. Sie weiß es nicht einmal. Sie hat sich ihrem Körper anvertraut und ist losgegangen. Sie ging einige Schritte. Mir war, als würde mir ihr Geruch ins Gesicht schlagen.
    Noch eine Bewegung, Pamela, und der Hund wird Sie zerfleischen, sagte ich.
    Sie sind wahnsinnig geworden, sagte sie bestürzt, aber sie blieb stehen, ich spürte es, aufmerksam, steif. Sie starrte offenbar den Hund an. Und das Tier starrte sie an.
    Ich habe einen großen, scheckigen Hund, der hat einmal ein Wildschwein nach Hause gebracht. Es war ein Muttertier und es lebte noch. Es starb langsam, unter leisem, tiefem Röcheln, und der Hund aß noch Tage an ihm. Und gab nichts davon ab. Der Mistkerl hatte ein ganzes Wildschwein und aß es ganz alleine auf. In Ordnung, schließlich hatte er es gefunden, es war seine Beute. Ich gab ihm keinen Namen. Wenn ich ihn wütend machte, griff er sogar mich an. Er sprang an meine Brust und warf mich zu Boden. Er legte sich auf meinen Rücken, packte meinen Nacken mit den Zähnen und hielt mich unten, lange. Er hielt mich, bis er sich beruhigt hatte. Dann ließ er mich los und leckte lange mein Gesicht.
    Großer Gott, flüsterte die Frau, großer Gott.
    Sie stand auf dem Hof und richtete sich offenbar die Haare.
    Wie alt sind Sie, Pamela, fragte ich.
    Sie sind garantiert verrückt, sagte sie.
    Kommen Sie doch raus, flehte sie.
    Sie müßten, Ihrer Stimme nach zu urteilen, so um die fünfzig sein, sagte ich.
    Vierzig, flüsterte Pamela Krv kaum hörbar. Ich bin vierzig Jahre alt. Und … hören Sie auf damit!
    Aha. Wie jung Sie sind.
    Das verstehe ich nicht, sagte sie.
    Ich hatte eine Frau, sie stand draußen im Hof, ich hätte sie gerne gesehen. Es wäre gut gewesen, in sie hineinzuschauen wie in einen Brunnen, in ihr junges, vierzigjähriges Gesicht zu schauen. Ich habe für sie gezahlt, ich könnte auf sie drauf, wann ich nur wollte. Ich könnte in ihren Schoß weinen, ich könnte sie treten. Ich weiß nicht. Es wurde Mittag, und der Himmel entschied sich für die strahlende Helligkeit, dieses trügerische, unnütze Blau. Zwischen scharfen Schatten glänzten Lichtflecke in der Küche. Fliegen musizierten. Staub schwebte funkelnd durch die Luft. Das Dorf unten war überströmt von Glockengeläut. Wenn sich die Frau nach Osten wendet, kann sie den Kirchturm sehen, das Kreuz. Vielleicht auch die Häuser des Dorfes, wenn sie groß genug ist. Und wenn sie nach Süden schaut, sieht sie, daß der Bauch der Bäume blutig ist. Der Hund, das konnte ich hören, schlappte gerade Wasser.
    Sehen Sie den Kirchturm, fragte ich.
    Stille. Sie antwortete nicht. Sie beobachtete etwas. Horchte.
    Ich fragte Sie nach dem Kirchturm, Pamela, sagte ich.
    Aber Sie wichsen doch, rief sie aus, mit einer Natürlichkeit, die mich überraschte. Als würde Wasser auf das Schafzungenblatt fallen, kühles, morgendliches Wasser. Wind, Dunst, Schande. Ich hatte eine Frau. Ihr Name war Pamela Krv.
    Sie haben gute Ohren, krächzte ich und lachte.
    Ich helfe Ihnen, sagte sie mit plötzlicher Entschlossenheit und ging, ohne auf eine Antwort zu warten, los, und dann passierte alles so schnell, daß ich sie nicht einmal mehr warnen konnte, ich hatte keine Zeit, etwas zu sagen, denn kaum hatte sie sich bewegt, hörte ich im nächsten Augenblick schon dieses gefährliche Murren, das Schnappen eines Kiefers und dann, wie zwei Körper aufeinanderprallten und wie die Frau aufschrie, und dann lag sie schon auf der Erde.
    Und davon wurde es auch für mich gut.
    Bewegen Sie sich nicht, schrie ich. Bewegen Sie sich ja nicht!
    Stille.
    Er beruhigt sich, dann läßt er Sie schon los, redete ich ihr zu.
    Wenn Sie sich nicht rühren, passiert Ihnen nichts, Pamela!
    Schließlich ließ der Hund sie los. Er hatte sie natürlich länger festgehalten, als er das mit mir zu tun pflegte, denn schließlich war das ja eine Frau, und eine Frau ist etwas anderes, als was ich bin: ein Mann.
    Leckt er Ihnen schon das Gesicht, Pamela, fragte ich.
    Es wurde Nachmittag. Sie stand schon wieder, hatte sich vom Schlamm gesäubert, aber sie traute sich nicht, etwas zu sagen, zu fragen, was sie nun machen sollte, ob sie überhaupt etwas tun könnte. Ich stellte mir vor, wie sie sich den
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