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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance
Autoren: Diana W. Jones
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uns auf den Weg gebracht, zurück dorthin, wo wir hingehören. Die Erde ist eine der ältesten Welten, weißt du - natürlich weißt du das -, und wir sollten noch viel weiter Mehrwärts ko mm en.«
    »Ich weiß.« Beklo mm en sah ich den Schatten meines Wagens über seinen büscheligen Rasen kriechen.
    »Arbeite daran, diesen Prozeß fortzuführen.«
    Unnötig, mich zu ermahnen; diese Aufgabe ist einer der Gründe dafür, daß es uns gibt.
    Später, im Zimmer wurde es dämmrig, sagte Stan plötzlich: »Das Heimweh hat mich hierher zurückgetrieben, weißt du.«
    »Wie meinst du das?«
    »Gleich nachdem ich als Magid bestätigt worden war, bin ich ziemlich weit nach Mehrwärts gegangen«, erklärte er. Seine Stimme wurde immer schwächer. »Ich habe mir meinen Aufgabenbereich ausgesucht, etwa so, wie Simon sich seinen ausgesucht hat. Bei mir waren die Kentauren der Grund. Ich hatte immer ein Faible für Kentauren und wollte unbedingt mit ihnen arbeiten. Sobald ich herausfand, daß es weiter Mehrwärts auf jeder zweiten Welt Kentauren gibt, hielt mich nichts mehr. Ich war sicher, ich würde nie mehr zurückkehren. Kentauren brauchen in ihrer Umgebung einen gewissen Prozentsatz an Magie, um existieren zu können - aber das weißt du natürlich -, und hier sind sie ausgestorben, als wir immer weiter gen Minderwärts drifteten. Drei Jahre lang war ich wunschlos glücklich, arbeitete mit Kentauren, studierte sie. Ich glaube, es gibt nichts, was ich über Kentauren und ihre Lebensweise nicht weiß. Dann bekam ich Heimweh. Einfach so. Ich kann dir nicht sagen, wonach. Nichts Spezielles. Da war eben nicht hier. Es roch anders. Der Wind wehte anders. Das grüne Gras war nicht richtig grün. Banalitäten, Kleinigkeiten, zum Beispiel schmeckte das Wasser zu rein. Also kam ich zurück.«
    »Um als Jockey zu arbeiten?«
    »Der bestmögliche Kompromiß.« Nach einer langen Pause fügte er hinzu: »Ich möchte als Kentaur wiedergeboren werden. Hoffe, ich kann das arrangieren.« Dann, nach einer noch längeren Pause: »Du rufst jetzt besser den Arzt an.«
    Das Telefon hing in der Küche, und die Nummer des Arztes stand säuberlich auf einem Zettel. Ich weiß noch, daß ich dachte, während ich die Ziffern eintippte, wie ungerecht das Schicksal gegenüber Timotheo war. Ich mußte einer der wenigen Menschen sein, die seinen Tod bedauerten, und doch galt all meine Trauer Stan. Schon im nächsten Moment hatte ich Timotheo wieder vergessen. Stan hatte seine Angelegenheiten vorbildlich geordnet. Der Arzt na hm zu meiner Überraschung den Anr uf persönlich entgegen und versprach, in zehn Minuten zur Stelle zu sein. Ich legte auf und kehrte ins Vorderzimmer zurück. »Stan?«
    Kein Antwort, kein Laut. Im Todeskampf war er halb vom Bett gerutscht, ich legte ihn behutsam wieder hin. Er hatte allein sterben wollen.
    »Stan?« fragte ich noch einmal in das stille, leere Zimmer hinein.
    Nichts. Ich hörte nichts, ich fühlte nichts.
    »So viel also zur Idee der körperlosen Existenz«, sagte ich laut. Doch wieder blieb ich ohne Antwort.

Kapitel 2

    Erst kurz vor Weihnachten, als die meisten der großen und kleinen Dinge im Zusammenhang mit Stans Tod geregelt waren, kam ich dazu, einen bewußten Blick auf die Kandidatenliste zu werfen, die er mir gegeben hatte. Sie enthielt fünf Namen, zwei davon weiblich. An den Adressen ließ sich erkennen, daß eine der Frauen Britin war, die andere Amerikanerin. Die Männer kamen aus Großbritannien, Holland und - ich mußte meinen Atlas hervorholen - Kroatien. Seufzend bemühte ich mich um etwas Begeisterung bei der Aussicht auf die Reiserei hierhin und dorthin, um mich der Reihe nach unter verschiedenen erfundenen Vorwänden mit allen zu treffen. Wenigstens sprachen drei von ihnen meine Sprache, wahrscheinlich ein Grund, mich glücklich zu schätzen. Stan hatte außerdem die Geburtsdaten eingetragen, nur nicht für den Kroaten. Meine Landsmännin und der Holländer waren beide jung, sie zwanzig, er vierundzwanzig. Ein Punkt zu ihren Gunsten. Die anderen beiden waren um die vierzig, was ich mit einem mulmigen Gefühl registrierte. Ich hatte gerade erst meinen sechsundzwanzigsten Geburtstag hinter mir, und die Vorstellung, einen soviel älteren Schüler zu haben, fand ich beängstigend.
    Doch getreulich machte ich mich auf, sie alle zu finden.
    Ich möchte nicht näher auf die Frustrationen dieser Suche eingehen. Mit Unterbrechungen, einmal durch meinen Nachbarn - von ihm später mehr -, zum anderen durch
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