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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance
Autoren: Diana W. Jones
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den verständlichen Wunsch meiner Mutter, wenigstens einen ihrer Söhne über Weihnachten bei sich zu haben, war ich sechs Wochen lang mit Divinationen, Reisen und Sammeln von Informationen beschäftigt. Ich flog nach Amsterdam, um den Holländer, Kornelius Punt, zu suchen und erfuhr, er habe irgendein Stipendium gewonnen, welches ihn in die Lage versetzte zu reisen. Wie sich herausstellte, hatte er weidlich Gebrauch davon gemacht. Ich fuhr nach Avignon, wo man zuletzt von ihm gehört hatte, und stellte fest, daß er nach Rom weitergereist war, dann nach Athen, dann nach Jerusalem. Nach entnervenden vier Tagen Kampf mit dem griechischen und italienischen Fernsprechnetz fand ich bei meiner Heimkehr ein Telegramm von einem Magid vor, der Israel besuchte und mich wissen ließ, Punt sei nach Australien geflogen. Ich gab auf und beschloß abzuwarten, bis es ihn wieder in die Heimat zog. Bald danach spürten meine amerikanischen Gewährsleute die ältere der beiden Frauen auf, Tansy-Ann Fisk. Gerade als
    ich Vorbereitungen für den Flug nach Ohio traf, schickten sämtliche Informanten Eilbotschaften, ich könne mir die Mühe sparen. Fisk hatte sich in eine Art Sanatorium ausschließlich für Frauen zurückgezogen, wo Männer keinen Zutritt hatten. Als ich diese Klinik im Magidregi- ster nachschlug, las ich mit bösen Ahnungen den Vermerk: fragwürdig, dubiose Esoterik<. Nun ja, vielleicht war sie im guten Glauben dorthin gegangen, für eine einfache Regenerationskur. Mir blieb nichts anderes übrig als zu warten, bis sie wieder zum Vorschein kam. Der Brite, Mervin Thurless, war ebenso schwer ausfindig zu machen. Schließlich stellte sich heraus, daß er sich auf einer Vorlesungsreise durch Japan befand. Was den Kroaten anging, Gabrelisovic, so muß ich wohl niemanden daran erinnern, daß es in dieser Weltengegend einen Krieg gegeben hatte. Meine Quellen bei der NATO verliehen der Befürchtung Ausdruck, daß er zu den vielen gehören könnte, die in den Wirren spurlos verschwunden waren.
    Mit einiger Erleichterung machte ich mich auf die Jagd nach der jungen Britin. Wenigstens lebten wir beide in demselben Land. Mehr noch, sie war jünger als ich und besaß, nach Stans Liste, das bedeutendste ungeschulte magische Talent von allen. Sie war meine heimliche Wunschkandidatin. Ich gestattete mir sogar äußerst erfreuliche Visionen von ihr als einer hübschen und intel- ligenten jungen Frau, die zu unterweisen das reine Vergnügen war. Ich sah sie an meinen Lippen hängen. Ich konnte es kaum erwarten, sie kennenzulernen.
    Ich konnte auch sie nicht finden.
    Ihre Familiengeschichte hatte es in sich. Die Adresse auf der Liste war die einer Tante - die Schwester ihres Vaters -, wohnhaft in Bristol, wo Maree Mallory anscheinend studierte. Ich stand auf der Türschwelle dieser Tante, im strömenden Regen, während sich links und rechts Kinder in nassen Anoraks an mir vorbeidrängelten. Nicht lange, und die Blagen bildeten ein krakeelendes, streitendes Knäuel hinter der Tante, die versuchte, mir über den Radau hinweg verständlich zu machen, daß Maree zu ihrer Mutter nach London zurückgefahren wäre, das arme Kind, ob ich das nicht wüßte? Eltern geschieden. Trauriger Fall. Ich brüllte, ob ich vielleicht die Adresse in London ...? Sie schrie, sie hätte sie nicht parat, aber wenn es mir nichts ausmachte zu warten, wollte sie ihre Schwägerin anrufen und fragen. Also harrte ich weitere fünf Minuten im Regen aus und beobachtete über die sich balgenden lieben Kleinen hinweg, wie die Tante weiter hinten im Flur ins Telefon sprach. Endlich kam sie zurück und schrie mir eine nur halb verständliche Adresse zu, die ich notierte, weiter verfälscht durch feuchtes Papier und Regentropfenkleckse. Am nächsten Tag fuhr ich nach London. Natürlich regnete es wieder.
    Die Adresse führte mich nach South London. Soweit stimmten die Angaben. Doch als ich schließlich am Ziel war, hieß es nicht Rain Kitten, wie ich aufgeschrieben hatte, sondern Grain Kitchen. Es war ein Bioladen. Die Dame hinter einer verglasten Auslage von unglaublich vielen verschiedenen Bohnensorten, sah groß und schlank aus in ihrem weißen Overall. Unter dem weißen Tuch um ihren Kopf schaute jugendlich blondes Haar hervor. Sie wirkte so jung und attraktiv, daß ich einen Moment lang hoffte, sie sei Maree Mallory, doch beim
    Näherkommen sah ich, daß sie älter war, über vierzig. Vielleicht die Mutter. Meine verwischten Notizen sagten mir, in dem Fall wäre sie eine
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