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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance
Autoren: Diana W. Jones
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ich hinzu.
    »Auch das nicht verwunderlich. Die Strafe dafür, anders zu sein. Uns wäre es womöglich ebenso ergangen, dir und mir, wenn man uns nicht als tauglich für die Gemeinschaft der Magids befunden hätte.«
    »Höchstens was dich angeht«, schnappte ich. Meine Laune war nach diesen neuerlichen Rückschlägen wieder ziemlich biestig geworden. »Ich für meinen Teil betrachte mich als eine stabile Persönlichkeit.«
    »Ach ja? Typischer Fall von Verdrängung, aber denk dran, ich kannte dich schon als Schuljungen. Diese Maree ... Ich bin wie du der Meinung, daß sie die aussichtsreichste Kandidatin ist. Du solltest versuchen, ihren Vater aufzuspüren - er wird dir sagen können, wo sie steckt. Es heißt, Väter und Töchter haben ein besonders enges Verhältnis zueinander.«
    Wie sich herausstellte, war sein Rat ausgezeichnet. Eine Woche später fuhr ich zu einem Krankenhaus in Kent und sprach mit einem ausgemergelten, zusammengesunkenen kleinen Mann im Rollstuhl, der bereits den größten Teil seiner Haare verloren hatte. Man konnte sehen, daß er bis vor kurzem ein dicker kleiner Mann mit einem Zwinkern im Auge gewesen war. Ich spürte den Tumor in ihm . Bösartig. Die Ärzte hatten ihm nicht viel helfen können. Er tat mir unendlich leid. Ich versetzte dem Krebs einen scharfen Stoß und befahl ihm zu verschwinden. Der kleine Mann krümmte sich ächzend zusammen.
    »Autsch!« sagte er. »Erst Maree, jetzt Sie. Was haben Sie getan?«
    »Dem Tumor befohlen, er solle verschwinden. Sie sollten das ihrem ungebetenen Gast ebenfalls nahelegen, aber Sie scheinen ihn widerstandslos angenommen zu haben, nicht wahr?«
    »Wissen Sie, genau das hat Maree auch gesagt! Wahrscheinlich stimmt es, ich habe ihn angenommen - er fühlt sich an wie ein Teil von mir. Ich kann es nicht richtig erklären. Was sollte ich denn tun?«
    »Dem Ding klarmachen, daß es unerwünscht ist, ein Fremdkörper. Sie wollen es nicht in sich haben. Mir scheint, Sie haben noch nicht zu Ende gebracht, was Sie in Ihrem Leben erreichen wollten.«
    »Allerdings nicht.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Erst kam die Scheidung und nun das. Ich bin nicht wie mein Bruder, wissen Sie, ein Buch nach dem anderen - ich habe nur das eine vorzuweisen. Ich hätte gern noch meine Erfindung zum Patent angemeldet, aber, nun ja... «
    »Dann tun Sie’s«, sagte ich. »Übrigens, wo befindet Maree sich zur Zeit?«
    »In Bristol.«
    »Aber da war ich und habe mit ihrer Tante gesprochen und... «
    »Diesmal ist sie bei ihrer anderen Tante, weiter die Straße hinauf. Ich habe sie gezwungen zurückzugehen, Liebeskummer oder nicht, Geld oder kein Geld. Sie will Tierärztin werden, wissen Sie, und so ein Studium kann man nicht einfach mittendrin abbrechen.«
    »Darüber weiß ich leider nicht Bescheid. Dann könnte ich sie also über die Universität erreichen?«
    »Oder über ihre Tante«, sagte er. »Teds Frau. Janine. Gräßliche Person. Kann mir offen gesagt nicht vorstellen, weshalb mein Bruder sie glaubte heiraten zu müssen. Er hat einen noch größeren Fehler gemacht als ich, aber im Gegensatz zu mir hat er ihn nicht korrigiert - dem Jungen zuliebe, nehme ich an.« Er gab mir die Adresse, zu meinem Ärger in derselben Straße wie das Haus, in dem ich bereits gewesen war, und fragte dann angstvoll: »Es stimmt doch nicht wirklich, daß ich diesen Tumor loswerden kann, indem ich es denke, oder?«
    »Sehr viele Tumore sprechen auf eine solche Therapie an.«
    »Ich habe kein Talent zum positiven Denken«, sagte er kläglich.
    Bevor ich ging, tat ich für Derek Mallory, was ich tun konnte. Es hatte keinen Zweck, gegen den Krebs anzugehen, wenn er selbst sich nicht dagegen wehrte, also beeinflußte ich statt dessen ein paar Zentren in seinem Gehirn, um ihm zu einer etwas optimistischeren Einstellung zu verhelfen. Ich nehme an, er fühlte jeden Stoß. Sein Gesicht verzog sich wie das eines Babys, und ich fürchtete, er würde anfangen zu weinen, aber nein, er versuchte zu lächeln.
    »Das hat geholfen!« sagte er. »Das hat wirklich geholfen! Eigentlich bin ich sehr für diesen Psychokram, wirklich. Ich habe oft mit Maree darüber diskutiert. Sie hat das Zeug dazu, aber sie will nicht. Macht sich nur lustig und wird zynisch. Ihr fehlt der Glaube, daran liegt’s.«
    Also fuhr ich wieder nach Bristol, aber erst eine Woche später. Ich hatte meinen Beruf sträflich vernachlässigt und eine Menge aufzuarbeiten. Eigentlich war ich zuversichtlich, daß ich meine Termine
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