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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein
Autoren: Cate Tiernan
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dem hohen Norden hierher verpflanzt hatte. Zu Hause war es wunderbar, eine Schwester zu haben und so etwas wie eine Enkelin zu sein, ich liebte das Gefühl, aber mein Zuhause war gleichzeitig auch ein Ort der magischen Praktiken, ein Ort, an dem ich meiner verstörenden, surrealen Vergangenheit nicht entkam. Zu Hause sprachen wir darüber, was bei dem Récolte-Fest passiert war oder während der Wintersonnwende. Wir diskutierten die Tatsache, dass Leute, die wir kannten oder die mit uns verwandt waren, Unsterblichkeit erlangt hatten. Buchstäblich. Und wir machten uns Sorgen wegen des Ritus, den Daedalus plante, eines Ritus, der Clio und mich entweder töten oder ebenfalls unsterblich machen würde.
    »Tschuldigung, was?«, sagte ich, als ich merkte, dass meine Freunde mich erwartungsvoll ansahen.
    »Ob du für Mathe gelernt hast?«, fragte Sylvie erneut.
    Ich atmete auf. Oh wunderbare Normalität! »Jup«, erwiderte ich. »Aber ich hab das meiste trotzdem noch nicht kapiert.«

Kapitel 3
    Clio
    » Spür das Leben in jeder Handvoll Erde.« Melysa, meine Lehrerin, hielt inne, um die schwarze Erde, die ihr durch die Finger rieselte, bewundernd zu betrachten.
    Griesgrämig sah ich sie an. Gärtnern war nicht gerade meine Leidenschaft und bei unserem Klima konnte man das ganze Jahr über permanent irgendwas anbauen. Abgesehen davon hatten die Feuerwehrleute Nans wunderschöne Vordergartenbeete komplett zertrampelt, um zum hinteren Teil des Hauses zu gelangen. Und nun stand ich hier und gärtnerte mir zur Strafe die Seele aus dem Leib.
    Na ja, und weil es Teil meiner Unterrichtsstunde war.
    »Ja, ja, voller Leben«, murmelte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn. »Schon kapiert.« Ich bückte mich und rupfte eine tote Pflanze samt Wurzeln heraus. Ich warf sie auf den Haufen, der auf den Kompost sollte, und ebnete den Boden mit dem Rechen ein. Auf dem Bürgersteig lag ein Tablett mit acht kleinen Kohlpflanzen, die darauf warteten, eingesetzt zu werden. Na super. Gartenarbeit und dann noch die Aussicht, im Winter Kohl zu essen. Welche Freude.
    Ich stand auf, streckte mich und stöhnte. »Ich glaube, mir bricht gleich das Kreuz.« Von meinen Händen mal ganz zu schweigen, die rot waren, als wären sie von der Sonne verbrannt, und die nach der letzten Nacht immer noch schmerzten.
    Melysa warf mir einen amüsierten Blick zu. »Also erstens arbeitest du seit gerade mal einer Viertelstunde und zweitens bist du erst siebzehn. Bevor du nicht mindestens fünfzig bist, hast du nicht über Schmerzen und Zipperlein zu jammern, klaro? Also, erinnerst du dich jetzt an die korrekte Bezeichnung für diesen Kohl?«
    Ich betrachtete ihn eingehend. Das war kein Chinakohl, kein Rotkohl, sondern eine ganz bestimmte Sorte Grünkohl. »Palmkohl?«, sagte ich schließlich.
    »Sehr gut.« Melysa ging in die Hocke und schaufelte ein kleines Loch. Mit geübten Griffen zog sie eine Kohlpflanze aus ihrer Plastikhülle, setzte sie in den Boden und klopfte die Erde drum herum fest. »Hast du an einem Zauber für deinen Aufstiegsritus gearbeitet?«
    Ich blinzelte angesichts des abrupten Themenwechsels. »Mhm.« Wenn du wüsstest …, dachte ich, und ein ungutes Gefühl beschlich mich. Aber nein, sie konnte nichts erfahren haben, beruhigte ich mich sogleich. Niemand außer Daedalus wusste von dem Zauber, den ich letzte Nacht auf dem Friedhof praktiziert hatte. Von dem Zauber, bei dem er mir hatte helfen wollen.
    Gedankenverloren rechte und zupfte ich weiter. Für meinen Aufstiegsritus musste ich mir einen richtig imposanten Zauber erarbeiten, einen, der mehrere Energieebenen beinhaltete und verschiedenste Hexenwerkzeuge und Formen der Zauberei zum Einsatz brachte. Letzte Nacht hatte ich genau das getan und es hatte funktioniert. Es war schrecklich gewesen und ziemlich gruselig. Aber immerhin hatte ich mehr darüber in Erfahrung gebracht, was mit der Treize passiert war. Und mit Richard, dachte ich, wobei sich meine Wangen noch stärker röteten. Als Cerise hatte ich mich an den Liebhaber erinnert, der er für sie gewesen war. Mir war unbehaglich zumute, als hätte ich ihn ausspioniert. Was ich in gewisser Hinsicht ja auch getan hatte.
    Auf eine total bizarre, unglaubliche X-Faktor -Weise.
    Aber wie auch immer. Wirklich wichtig war nur, dass ich eine klare Sicht auf Melitas Zauber gehabt hatte – quasi aus der Vogelperspektive. Ich hatte die in der Erde glühenden Sigillen und Runen gesehen. Cerise hatte sie in jener Nacht gar nicht bemerkt –
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