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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein
Autoren: Cate Tiernan
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aus.
    So wie Clio.
    Auch sie war hübsch und vollkommen nutzlos. Ja, destruktiv sogar. Man brauchte sich ja nur anzusehen, was sie mit Petras Haus angestellt hatte. Zumindest war er sich ziemlich sicher, dass sie das gewesen war. Sie und ihre Zwillingsschwester mit ihrem missglückten Zauber. Es sei denn …
    Stirnrunzelnd warf Richard seine Zigarette ins Wasser. Ein kurzes Zischen war zu hören. Ihm fiel ein, dass es heutzutage ja strengstens verboten war, seinen Müll einfach so in die Landschaft zu werfen. Verdammt.
    Er zog sein Shirt aus und stieß das Paddel der Piroge durch das dichte Unkraut. Er sah eine Biberratte, groß wie eine Hauskatze, über das Wasser flitzten. Einige Stellen waren derart dicht mit Wasserhyazinthen überwuchert, dass sie ihr Gewicht trugen.
    Zwanzig Minuten später hatte Richard den Kanal hinter sich gelassen. Erneut startete er den Motor. Irgendwo entlang der Strecke gab es eine versteckte Öffnung zu einem schmalen, sich dahinschlängelnden Fluss, kaum dreieinhalb Meter breit. Und da war er schon. Er ließ das Boot eine scharfe Kurve fahren und schaltete den Motor erneut aus. Es gab hier zu viele Luftwurzeln und Wasserranken, die den Propeller leicht ruinieren konnten. Die meisten Bäume waren von jungem Wuchs, doch irgendetwas an den Umrissen der Landschaft rief eine Erinnerung in ihm wach. Dies war der Ort.
    Moskitos schwirrten summend um ihn herum. Er hatte einen kleinen Zauber ausgesprochen, der sie ihm vom Leib halten würde. Er zog eine weitere Zigarette hervor und wollte sie sich gerade anzünden, als ihm Clios Gesicht samt ihrer gerümpften Nase wieder einfiel. Fluchend schmiss er die Packung auf den flachen Boden des Boots. Himmelherrgott, was war nur mit ihm los? Sie war eingebildet, egoistisch, behandelte ihn abfällig – und sie war immer noch in Luc verknallt, was einmal mehr bewies, wie dämlich sie war.
    Und doch.
    Wenn Richard in ihrer Nähe war, begann sein Herz wieder zu schlagen, und er fühlte sich plötzlich lebendiger als in den letzten einhundert Jahren. Er dachte an ihre langen nackten gebräunten Beine, als sie ausgestreckt über dem Küchenboden gelegen hatte, um den Innenraum eines Schranks zu reinigen. Er dachte daran, wie sie in dem scharlachroten Leinengewand ausgesehen hatte, an den Stoff, der sich beim Récolte-Zirkel weich um ihren Bauch und ihre Hüften geschmiegt hatte. Sie hatte irgendetwas an sich, dass er sie an sich ziehen wollte und förmlich vor sich sah, wie ihr Kopf über seinen Arm sank … Aber das würde nie wieder passieren. Er war ihr nicht länger verfallen. Ihre leidenschaftlichen Küsse während des Récoltefests hatten ihn gründlich geheilt. Er würde sie nie wieder berühren.
    Abrupt blickte Richard auf und versuchte, sich zu orientieren. War er vorbeigefahren? Der Gedanke an Clio hatte ihn abgelenkt. Leise fluchend glitt er weiter. Er reckte den Hals, um besser um die nächste Biegung spähen zu können. Nein, hier nicht. Er hatte sich verirrt. Jetzt war er komplett sauer auf sich.
    Er musste mehrmals zurücksetzen, bis er die Piroge endlich in die entgegengesetzte Richtung manövriert hatte. Richard blinzelte in die Sonne – noch zwei Stunden, und der Besitzer würde zurückkommen und merken, dass sein Boot fehlte. Richard begann, mit aller Kraft zu paddeln. Kein Lüftchen regte sich, und es war so feucht, dass sein Schweiß nicht verdunsten konnte. Ihm fiel ein, dass er eine Flasche Wasser dabeihatte. Er trank ausgiebig und wünschte sich, es wäre Bier.
    Inzwischen war er an der letzten Gabelung angekommen. Jetzt, da er sie wiedersah, wurde ihm klar, dass er den anderen Flussarm hätte nehmen müssen. Grimmig tauchte er das Paddel ins Wasser. So würde er also werden, wenn er weiter an Clio dachte. Verwirrt. Verloren. Sie wollte Luc? Sie konnte ihn haben.
    Fünfzehn Minuten eifrigen Paddelns brachten ihn zu einer weiteren Gabelung. Er wusste jetzt, wo er sich befand, und steuerte zielsicher auf den linken Arm zu. Fünf Minuten später sah er sie: eine riesige gespaltene Zypresse, die sich in einem Bogen über das Wasser neigte. Vor langer Zeit hatte man eine Kette um ihren Stamm gelegt, die jetzt fast vollständig von Rinde überwachsen war. Richard duckte sich und steuerte die Piroge unter den Bogen. Er stieg in das seichte Wasser, spürte den glatten lehmigen Untergrund, der unter seinen Sandalen quatschte, und band das Boot an einem Baum fest.
    Das Ufer war steil, aber nicht hoch. Er umklammerte eine Baumwurzel und zog
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