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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein
Autoren: Cate Tiernan
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gegeben hatte? Gab es vielleicht sogar eine ganze magische Schule, von der ich und die meisten anderen Hexen nichts wussten? Es wäre seeehr intere…
    Ööööm. Ja. Ich hatte es genau erfasst. Klar gab es eine Schule für Zauberpraktiken wie die von Melita. Sie hieß schwarze Magie und wir wandten sie nicht an. Ich war nie auf die Idee gekommen, dass unter all den schrecklichen, bösen und ganz und gar verwerflichen Zaubern einer dabei sein würde, der so funktionierte wie der von Melita. Die Art Zauber, die den beteiligten Hexen und Hexern Unsterblichkeit garantierte.
    Und die außerdem eine Hexe töten konnte, fiel mir ein, und ich versuchte, bei der Erinnerung an Cerises Tod nicht zu schaudern.
    Ich hörte das vertraute fröhliche Tuckern meines kleinen Camrys und blickte auf. Thais hatte gerade einen Parkplatz direkt vor unserem Haus gefunden – da wir keine Auffahrt oder Garage hatten, parkten wir immer auf der Straße. Sie stieg aus und kam durch das Tor, wobei sie darauf achtete, auf keine der Pflanzen zu treten.
    »Und, hast du ihn gekriegt?«, fragte ich.
    Sie lächelte, sah dabei bis auf die Kleidung wie mein exaktes Ebenbild aus und wedelte mit ihrem neuen, in Louisiana gültigen Führerschein.
    »Hab jetzt volle Bürgerrechte. Na ja, zum Fahren reicht’s jedenfalls. Ihr habt ja in der Zwischenzeit eine Menge geschafft.« Sie begutachtete den Vorgarten, der gerade dabei war, sich von einer zertrampelten, schmutzigen, entmilitarisierten Zone in einen schwachen Abglanz von Nans prachtvollem alten Garten zu verwandeln. »Ich zieh mich kurz um, dann komm ich vor dem Abendessen noch ein bisschen helfen.«
    »Toll, danke.« Melysa lächelte ihr zu.
    So langsam fühlte es sich ein kleines bisschen normal an, eine eineiige Zwillingsschwester zu haben, doch ab und zu schossen mir noch Gedankenfetzen wie »das ist unglaublich« durch den Kopf. Ich hatte siebzehn Jahre meines Lebens als Einzelkind verbracht, und seit meine Welt vor zwei Monaten komplett auf den Kopf gestellt worden war, hatte ich manchmal das Gefühl, ins Stolpern zu geraten.
    »Was seh ich denn da?«, fragte Thais und deutete auf die Kohlsetzlinge. »Keine Okraschoten mehr?«
    Ich lachte. Was die südliche Küche betraf, benötigten Thais’ Geschmacksnerven manchmal noch eine kleine Starthilfe.
    »Kohl!«, rief ich strahlend. Sie verzog das Gesicht.
    Melysa stand auf und wischte sich die Hände ab. »Zeit für mich zu gehen. Jetzt hast du ja eine Helferin. Sagt Petra, dass ich mich später bei ihr melde, okay?«
    »Ja, okay. Danke und … bis bald.« Ich erhob mich und folgte Thais ins Haus. So langsam musste ich herausfinden, was sie von der ganzen Sache mit der Unsterblichkeit hielt.

Kapitel 4
    Schwarz wie meine Seele
    Alles hier hatte sich so sehr verändert. Außer der Hitze, den Moskitos und dem Geruch des Wassers. Das war gleich geblieben. Aber der Blick auf das Land, der Verlauf der Kanäle, die Reisfelder und die Flüsse selbst … all das war anders als zuvor. Der kleine, stotternde Motor seiner alten Holzpiroge gab ein unangenehm dröhnendes Geräusch von sich, wie ein großes, schläfriges Insekt. Richard saß im Heck des Bootes, eine Hand am Steuerruder, und manövrierte es durch die Wasserstraßen, die sich bestimmt an die zehnmal verändert hatten, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Wann war er das letzte Mal hier gewesen, an genau diesem Fleck? Vor vierzig Jahren vielleicht? Vor dreißig? In seiner Erinnerung verschwammen die Jahrzehnte.
    Die Sonne brannte auf seiner Haut, erwärmte sein Blut. Richard strich sich die feuchten Fransen aus der Stirn und zündete sich eine Zigarette an. Er dachte daran, wie hochnäsig Clio ihm untersagt hatte, in Petras Haus zu rauchen. Er vermutete, dass Petra Clio nicht erzählt hatte, dass sie selbst ungefähr achtzig Jahre lang Raucherin gewesen war. Verächtlich stieß er den Rauch durch die Nase, wobei er die Wärme und den chemischen Nachgeschmack bewusst wahrnahm.
    Dort hinten. Ungefähr 400 Meter vor ihm wichen die flachen, baumlosen Reisfelder einem Sumpfgebiet. Gleich würden die Kanäle voller Unkraut sein, also schaltete Richard den Motor aus und zog ihn ein. Er holte ein langes, breites Paddel hervor, von dem die Farbe bereits abblätterte, und stieß es durch das Kraut. Wasserhyazinthen. Sehr hübsch. Glänzende grüne Blätter, wunderschöne lilafarbene Blüten. In allen Golfstaaten waren die Kanäle, Gräben und Flüsse mit diesen Wucherpflanzen verstopft.
    Aber es sah hübsch
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