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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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das geringste Ungemach zu beklagen noch etwas Positives zu berichten. Mein Magen ist in Ordnung, der Schwächezustand, in dem ich mich befand – wenn man denn nun jegliche Kleinigkeit anmerken möchte –, ist vorüber, auch Sascha ist auf dem Weg der Besserung mit ihrem Schnupfen, sie ist frisch und munter. Ich arbeite ein wenig 93 , denke voller Liebe an Dich und empfinde nichts außer guten Gefühlen. Gestern bin ich allein ausgeritten, heute mit Tschertkow. [...] Gruß und Dank an Deine liebenswürdigen Wohngenossen 94 . Ich küsse Dich.
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    18. Juni 1910
    [Jasnaja Poljana]
    Ich bitte sehr um Entschuldigung, lieber Ljowotschka, daß ich Euch mit dem Telegramm beunruhigt habe. Meine Tage verliefen ziemlich ruhig; ich versuchte, jenes innere Gleichgewicht zu erhalten, welches mir für die anstrengende Arbeit, die in der ganzen Zeit zu erledigen war, notwendig ist. Meine Fahrt nach Tula hatte mich sehr ermüdet, und ich leide wieder an Schlaflosigkeit, und dieses dumme Telegramm aus Petersburg hat mich sehr beunruhigt. All das, was sich an dem Abend in meiner aufgewühlten Phantasie abspielte – in schrecklicher Geschwindigkeit wechselten Bilder, Ereignisse und verschiedenste Situationen –, könnte den Stoff für eine ganze Erzählung über eine Halbwahnsinnige liefern. Ich glaubte, in Petersburg habe manvor mir von einer jähen Verschlechterung Deines Gesundheitszustands oder gar von Deinem Tod erfahren – ich habe überhaupt nicht schlafen können, bis ich nicht von Euch das Telegramm und den Brief erhielt, für welche ich Euch danke.
    Olga ist mit Sonja und Iljuschka 95 für einen Tag hergekommen, ich bin sehr glücklich, daß sie hier sind. Wir gehen nun baden. Ich küsse Dich und das Geburtstagskind Sascha.
    S. Tolstaja.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    22. Juni [1910]
    [Otradnoje]
    In drei Tagen werde ich wieder bei Dir sein, liebe Sonja, und doch will ich Dir noch ein paar Zeilen schreiben. Seit ich Dir zum letzten Mal schrieb, ist bei uns weiterhin alles in Ordnung. [...] Gestern war Berkenheim hier, hörte Sascha ab und sagte, sie könne sich als vollkommen gesund fühlen. Er riet ihr zu schwimmen. Und obgleich ich den Worten der Doktoren keinen Glauben schenke, hat es mich doch gefreut, dies zu hören. Auch ich bin wohlauf. Gestern ging es mir sogar ganz besonders gut, und ich habe viel gearbeitet [...]. Am Abend war ich in der Heilanstalt für Geisteskranke bei einer großartigen Kinomatographievorführung. Die Ärzte dort sind alle sehr nett. Doch der Kinematograph an sich gefällt mir überhaupt nicht, und so blieb ich, aus Mitleid mit Sascha, die unter Migräne litt, und mir selbst, weniger als eine Stunde. Gegen 10 war ich wieder zu Hause.
    [...]
    Wie geht es Dir? Ich hoffe, es gab keine neuen Unannehmlichkeiten, sollte es aber welche gegeben haben, hoffe ich, daß Du sie, soweit möglich, gelassen überstanden hast. Du hast zwei wichtige Aufgaben, deren Du ganz Herr bist: Deine verlegerische Tätigkeit und Deine Aufzeichnungen 96 .
    Ich küsse Dich, liebste Freundin. Grüße an Warja 97 und Koletschka 98 . [...] Auf ein baldiges Wiedersehen.
    Lew Tolstoj.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [23. Juni 1910]
    [Otradnoje]
    Abreise morgen günstiger 99 , wenn unabdingbar, heute abend. Poststation Sasseka.
    An die Gräfin Tolstaja. 100
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [23. Juni 1910]
    [Otradnoje]
    Kommen heute, Sasseka neun Uhr abends.
    Poststation Sasseka.
    An Tolstaja 101 .
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    14. Juli 1910
    [Jasnaja Poljana]
    1) das Tagebuch, welches ich im Moment führe, übergebe ich niemandem 102 .
    2) Die alten Tagebücher werde ich von Tschertkow zurückfordern und in Verwahrung nehmen, bzw. in einem Banksafe aufbewahren.
    3) Wenn Dich der Gedanke beunruhigt, daß jene Stellen in meinen Tagebüchern, die ich unter dem Eindruck des Augenblicks über unsere Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen schrieb, von künftigen, Dir nicht wohlgesinnten Biographen mißbraucht werden könnte – ganz abgesehen davon,daß solche Ausdrücke augenblicklicher Gefühle in meinen ebenso wie in Deinen Tagebüchern keine zutreffende Beschreibung unserer wirklichen Beziehung geben können –, wenn Du dies also fürchtest, so bin ich froh, diese Gelegenheit zu nutzen und im Tagebuch oder gleich in diesem Brief meine Beziehung
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