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Eine Braut von stuermischer Natur

Eine Braut von stuermischer Natur

Titel: Eine Braut von stuermischer Natur
Autoren: Lynsay Sands
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ich bei Hofe nicht mehr zur Last falle?«
    Edward entfuhr ein gepresstes Stöhnen. Dieser Auftakt verhieß nichts Gutes.
    »Nein, beileibe nicht, Mylady«, lenkte Becker eilig ein, zumal er für sein diplomatisches Geschick bekannt war. »Ihr genießt die tiefe Zuneigung Seiner Majestät, und es wird uns allen bei Hofe schwerfallen, Euch gehen zu lassen, aber Seine Hoheit entscheidet nur zu Eurem eigenen Besten.«
    Lady Murie zog den Atem tief in ihre Lungen und schien zu einer ohrenbetäubenden Kreischattacke ausholen zu wollen, worauf Edward seufzte: »Heilige Mutter Gottes, auch das noch!«
    Als Murie ihren Mund wieder schloss und sich ihm zuwandte, meinte er gedehnt: »Murie, Philippa hat entschieden, dass du heiraten sollst. Sie beharrt auf ihrem Entschluss, daran gibt es nichts zu rütteln. Überdies befindet sie, dass es überaus egoistisch von mir wäre, wenn ich dich weiter hier bei Hofe behielte und dir einen Mann und Kinder versagte. Tut mir leid, mein Kind. Sie hat sich das in den Kopf gesetzt und lässt nicht mit sich reden. Wenn ich mich dagegen sperre, wird sie mir keine Ruhe lassen, bis ich ihrem Ansinnen nachgebe.« Er stockte kurz und zog missmutig die Stirn in Falten, als er feststellte, dass sämtliche Gäste an der hohen Tafel an seinen Lippen hingen. Darauf verkündete er laut: »Ich bin der König, und was ich befehle, ist Gesetz. Und ich befehle, du wirst heiraten.«
    Murie starrte ihren Patenonkel einen endlos langen Augenblick an, scheinbar unschlüssig, was sie von seinen Worten halten sollte. Dann warf sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Nicht leise und vornehm wie eine Dame, sondern so laut und haltlos und dramatisch, dass man hätte meinen können, sie würde schauspielern.
    Balan, der Osgoodes schockierten Blick auffing, beobachtete die Reaktion des Königs. Seine Majestät schien die Darbietung kaltzulassen. Stattdessen wirkte er fast ein wenig erfreut, dass Murie den Gedanken, ihn verlassen zu müssen, derart unerträglich fand. Offenbar machte sie ihm häufiger solche Szenen.
    Die junge Lady Somerdale schniefte und schluchzte nach allen Regeln der Kunst, und der gesamte Hofstaat sah ihr mit fasziniertem Entsetzen dabei zu.
    »Aber, aber mein Kind.« Edward strich ihr sanft über den Rücken. »Ich weiß, es fällt dir gewiss schwer, uns zu verlassen … Wir werden dich auch sehr vermissen … Komm, Murie, hör auf zu weinen … Kopf hoch, mein Kind …«
    Der Monarch versuchte, sie mit begütigenden Worten zu trösten, während sie auf ihrem Stuhl hin- und herschaukelte und dabei spitze, markerschütternde Klagelaute von sich gab, eine schmerzhafte Herausforderung für jedes Trommelfell. Die Hände vor ihr hübsches Gesicht gepresst, schluchzte sie theatralisch. Als seine Bemühungen nicht fruchteten, versuchte Edward es mit Bestechung.
    »Ich bitte dich, mein Kind, hör doch endlich auf zu weinen. Glaub mir, wir werden den umgänglichsten Ehegemahl von ganz England für dich finden … und wir werden dir eine komplett neue Garderobe als Mitgift schneidern lassen … und du bekommst die prachtvollste Hochzeit ausgerichtet, die es auf Schloss Windsor jemals gegeben hat … und du darfst dir deinen Bräutigam selbst aussuchen«, setzte er milde verzweifelt hinzu.
    Schließlich verebbte ihr Schluchzen und sie hob den Blick, schaute den König mit großen, feuchten, betrübten Augen an. »W…wie I…ihr w…wünscht, S…sire«, stammelte sie.
    Der Teufelsbraten sprang auf und stürmte aus dem Saal, die Hände weiter vor sein hübsches Gesicht gepresst und von einer neuerlichen Schluchzattacke geschüttelt.
    Edward sah dem Mädchen nach, bis die hohe holzgeschnitzte Kassettentür des Saales geräuschvoll hinter diesem ins Schloss fiel, und schüttelte seufzend den Kopf, ehe er sich wieder dem Tisch zuwandte. Mit leerem Blick starrte er auf die Speisen vor ihm, ein erlesenes Festmahl, das langsam kalt wurde, da er die Tafel noch nicht eröffnet hatte. Folglich wagte es keiner der Gäste zuzugreifen. Dann stand er langsam auf.
    »Mir ist der Appetit vergangen«, verkündete er zu niemand Bestimmtem und wandte sich zum Gehen. »Kommt, Becker, Ihr begleitet mich.«
    »Dürfen wir denn jetzt endlich zulangen?«, fragte Osgoode unschlüssig, als sich die Tür hinter den beiden Männern schloss.
    Balan blickte sich stirnrunzelnd im Saal um. Die Gäste schienen unsicher, ob sie sich über das Festmahl hermachen oder sich – wie König Edward – in Verzicht üben sollten. Als die
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