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Eine bezaubernde Erbin

Eine bezaubernde Erbin

Titel: Eine bezaubernde Erbin
Autoren: Sherry Thomas
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viel Großzügigkeit und Freundlichkeit erwarten wie sonst.
    Er wandte sich zum Gehen, hielt aber noch einmal inne: „Ich hätte es fast vergessen: Du solltest etwas mehr Acht auf die Menge Salz geben, die du zu dir nimmst. Du hast so viel auf deine Rühreier gestreut, dass sie für die nächsten zehn Jahre konserviert sind.“
    Und dann war er fort und ließ sie allein im Garten zurück.
    Fitz stand vor Isabelles Haus.
    Er dachte, er hätte gelernt, besonnen zu sein, aber jedes Gefühl, das ihn heute überkam, war ungezügelt, raubte ihm den Atem. Eine zweite Chance – nicht vielen war diese Gnade vergönnt und noch weniger waren in der Lage, sie mit beiden Händen zu ergreifen.
    Furcht und Hoffnung durchströmten seine Adern mit gleicher Intensität. So viele Jahre waren vergangen. Was, wenn sie sich nur anschwiegen, sobald sie einander gegenüberstanden?
    Er klingelte. Ein Dienstmädchen mit großer, weißer Haube und langer, weißer Schürze öffnete die Tür, nahm seine Karte entgegen und bat ihn, ihr ins Haus zu folgen. Er blieb in der Diele stehen, die, von einem rechteckigen Spiegel und einem schmalen Konsolentisch darunter einmal abgesehen, leer war. Ein silbernes Tablett für Visitenkarten stand auf dem Tisch. Daneben befand sich eine Fotografie, die er sofort erkannte.
    Er hatte eine Kopie derselben Fotografie in den Tiefen seines Ankleideraumes. Sie war am Ende seines ersten Aufenthaltes auf dem Landgut der Pelhams aufgenommen worden. Die Damen saßen in ihrem Sonntagsstaat in der vorderen Reihe, die Herren standen ehrwürdig hinter ihnen. Er selbst wirkte unglaublich jung. Isabelle schien untypisch gesittet, die Hände unschuldig im Schoß.
    Aber diese Hände verbargen ein Geheimnis. Sobald der Fotograf seine Zufriedenheit mit dem Ergebnis erklärt hatte, hatte sie Fitz beiseite gezogen und ihm in die Hand gegeben, was sie in ihrer Tasche versteckt hatte: eine winzige Haselmaus namens Alice. Alice war das perfekte Haustier für einen beschäftigten Schüler. Sie hielt über den größten Teil des Winterhalbjahres, das sich in Eton in Michaelmas Half, von September bis Mitte Dezember, und Lent Half, von Mitte Januar bis Ende März, aufteilte, Winterschlaf und kam erst im April wieder hervor, um in seiner Tasche von Beeren, Nüssen und der einen oder anderen Raupe zu leben.
    „Ich habe diese Fotografie immer ganz nah bei mir“, sagte eine vertraute Stimme. „Sie ist die Einzige, was ich von dir habe.“
    Er stellte das Bild wieder hin und wandte sich vorsichtig und langsam ihr zu.
    Isabelle.
    Sie war sowohl größer als auch schmaler, als er sie in Erinnerung hatte – und nicht mehr achtzehn. Ihr Gesicht hatte etwas schärfere Züge angenommen. Die Umrisse ihrer Kiefer wirkten angespannt. Ihrer Haut schien es schwerer zu fallen, sich straff über ihre Züge zu legen.
    Aber diese Züge waren wie gemeißelt und so stolz wie eh und je. Ihr Haar war noch immer blauschwarz. Das Feuer in ihren Augen war ungeschmälert. Und in der Intensität ihres Blicks erkannte er die Isabelle Pelham seiner Vergangenheit.
    Während er sie anschaute, erhielten lange verlorene Erinnerungen, die so verblasst waren wie die Seiten eines uralten Manuskriptes, plötzlich wieder Farbe, Leuchtkraft und Schärfe. Isabelle im Frühling, die Arme voller Hyazinthen. Isabelle in ihrem weißen Tenniskleid, wie sie ihm mit ihrem Schläger zuwinkte, ihr Lächeln strahlender als die Sonne auf dem tiefgrünen Rasen. Isabelle, unter deren Füßen Laub raschelte, die sich gelegentlich zu ihrer ein paar Schritte hinter ihnen gehenden Gouvernante umdrehte, um ihr etwas zu sagen, während er selbst nur Augen für sein Mädchen hatte.
    „Mrs Englewood“, sagte er. „Wie geht es Ihnen?“
    „Fitz, meine Güte“, murmelte sie. „Du siehst genauso aus wie damals. Genauso .“
    Er lächelte. „Ich sehe noch immer aus wie neunzehn?“
    „Nein, natürlich nicht. Du bist ein erwachsener Mann. Aber dein Wesen hat sich nicht geändert.“ Sie schüttelte ein wenig den Kopf, beinahe ungläubig. „Komm, wir können uns nicht im Stehen unterhalten. Setzen wir uns.“
    Der Tisch war bereits für den Tee gedeckt worden. Isabelle goss ihnen beiden ein.
    „Erzähl mir alles“, bat sie.
    „Erzähl mir von Indien“, verlangte er im selben Moment.
    Sie lächelten. Er bestand darauf, dass sie ihn zuerst mit ihren Geschichten unterhielt. Delhi war unerträglich heiß im April. Kaschmir war vermutlich der schönste Ort der Welt, besonders die Stadt
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