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Ein zahnharter Auftrag

Ein zahnharter Auftrag

Titel: Ein zahnharter Auftrag
Autoren: Franziska Gehm
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Pobacke. Sie zog die Pobacken zusammen und hielt die Luft an. Die Jeans drückte am Bauch. Silvania dachte eine Sekunde daran, den Hosenknopf zu öffnen. Aber dann ging womöglich der Reißverschluss unbemerkt auf und sie stand mit offenen Jeans vor Jacob. Das wäre alles andere als normal.
    Silvania zog den Bauch ein, schlug das rechte Bein über das linke und verschränkte die Hände im Schoß. Sie versuchte zu lächeln. Ganz natürlich. Sie war ein ganz normales Mädchen, das ganz normal auf einer Bank saß und gleich ganz normal mit ihrem Nachhilfelehrer reden würde.
    Helene, Ludo und Daka hatten sich um die Rolltreppe der U-Bahn-Station positioniert. Daka spähte nach unten. Plötzlich pfiff sie. Das Zeichen! Jacob hatte die Rolltreppe betreten.
    Daka flopste sich hinter ihn auf die Rolltreppe. Natürlich stand sie nicht hinter ihm. Sie hing rücklings auf dem Geländer und fuhr nach oben. Sie musste schließlich keinen normalen Eindruck machen.
    Jacob schielte mit zusammengezogenen Augenbrauen nach hinten. Er musterte Daka einen Moment.
    »Hoi boi!«, sagte Daka und grinste.
    Jacob zog einen Mundwinkel nach oben. Dann drehte er sich wieder um. Er umklammerte den Riemen seiner Umhängetasche, als müsste er sich festhalten.
    Am oberen Ende der Rolltreppe warteten Helene und Ludo auf Jacob. Jacob wusste noch nichts vom Empfangskomitee. Er trat von der Rolltreppe und sah sich nach Daka um. Sie war gerade mit Absteigen beschäftigt. Jacob ging nach rechts. Er kam nicht weit. Beinahe wäre er Ludo auf die Füße getreten.
    Jacob sah Ludo verwirrt an. Er versuchte, links an Ludo vorbeizugehen. Ludo stellte sich ihm in den Weg. Jacob versuchte, rechts an Ludo vorbeizugehen. Ludo ließ ihn nicht vorbei. Jacob musterte Ludo. »Was soll das?«
    Ludo sagte kein Wort. Er stand vor Jacob und sah ihm ernst in die Augen. Ludo blinzelte nicht. Er wirkte ruhig und felsenfest. Nur in seinen ockerfarbenen Augen lag eine Bewegung. Sie bildeten einen Strudel mit tödlicher Sogwirkung.
    Jacob starrte einen Moment in Ludos Augen. Dann schüttelte er den Kopf, machte auf der Ferse kehrt und ging links der Rolltreppe entlang. Das wollte er zumindest. Weit kam er nicht. Er stieß mit Helene zusammen.
    »Aber hallo!«, rief Helene. »Da geht's lang!« Helene zeigte auf den Fußweg, an dessen Rand Silvania auf der Bank saß.
    Jacob sah zu Silvania, dann wieder zu Helene. Er sah zu Ludo, der noch immer rechts der Rolltreppe stand, von der Daka gerade auferstanden war. Jacob holte tief Luft. »Ihr seid echt nicht ganz normal«, murmelte er, schüttelte den Kopf und lief mit schnellen Schritten auf den Fußweg.
    Silvania sah Jacob auf sich zukommen. Erwartungsvoll hob sie den Kopf. Sie drückte das Kreuz durch, hielt die Luft an und lächelte.
    Jacob stürmte an ihr vorbei.
    Silvania sprang auf und lief ihm hinterher. »Warte!«
    Jacob drehte sich nicht um.
    »Warte! Ich muss mit dir reden«, rief Silvania. »Ganz normal reden.« Helenes Jeans drückte. Das Shirt spannte. Die Turnschuhe rieben. Am liebsten hätte Silvania sich zu Jacob geflopst. Aber ganz normale Mädchen flopsten nicht. Sehr schade.
    Jacob beschleunigte seinen Schritt. Er sah aus wie ein Nordic Walker im Geschwindigkeitsrausch.
    »Jacob!«, rief Silvania und riss den Arm in die Höhe. »Ich bin ganz normal!«
    Jacob wurde langsamer. Er drehte sich um.
    RATSCH! Pling! Plong! Die zwei Knöpfe von Silvanias Shirt kullerten auf den Fußweg. Ein Riss ging durch den V-Ausschnitt. Silvanias dunkelblaues Unterhemd mit den kleinen weißen Fledermäusen am Rand kam zum Vorschein.
    Silvania zog den Arm schnell wieder nach unten und hielt den Ausschnitt zu. »Fumpfs«, sagte sie leise. Sie hob den Kopf und schielte zu Jacob.
    Der hatte sich bereits wieder umgedreht. Er lief jetzt schneller als zuvor.
    Silvania beschloss, dass sie eine Ausnahme vom Normalsein machen musste, um Jacob zu beweisen, dass sie normal war. »Onu, zoi, trosch«, flüsterte sie und – flops – stand hinter Jacob. Sie tippte ihm auf die Schulter. »Keine Panik. Ich bin's nur. Deine Nachhilfeschülerin. Pleased to meet you one, two, three.«
    Jacob fuhr herum und sah Silvania mit großen Augen an. Einen Moment passierte gar nichts. Jemand schien auf den Pauseknopf gedrückt zu haben. Jacob blickte in Silvanias lindgrüne Augen. Silvania blickte in Jacobs winterhimmelgraue Augen.
    Silvania hielt die Luft an. War das nicht der Moment, in dem in den Filmen der Weichzeichner, die Schlussmelodie und der Kuss kamen?
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