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Ein Winter mit Baudelaire

Ein Winter mit Baudelaire

Titel: Ein Winter mit Baudelaire
Autoren: Harold Cobert
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Handbewegung. Auch Baudelaire hat sich erhoben.
    »Was schulde ich dir für die Fleischbällchen?«
    »Lass gut sein«, antwortet Fatima.
    Philippe wirft Bébère einen fragenden Blick zu. Der Freund nickt stumm.
    »Danke.«
    »Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe«, fügt Fatima hinzu.
    »Was sind das hier eigentlich für Küchenintrigen?«, fragt Bébère in gespielter Empörung.
    »Eine Sache unter uns …«, antwortet ihm seine Frau.

Diagnose
    Die Kältewelle, die aus Sibirien kam, ist weitergezogen, um wieder über die heimischen Steppen zu fegen. Sie überlässt das Feld einer milderen, feuchteren Luft mit gelegentlichem Nieselregen.
    Im Wartezimmer in Maisons-Alfort kaut Philippe nervös an den Fingernägeln, während Baudelaire zu seinen Füßen friedlich vor sich hin döst.
    Mit einem Umschlag in der Hand steht endlich der junge Tierarzt in der Tür und bittet die beiden, ihm zu folgen. Im Büro nehmen sie ihm gegenüber Platz.
    »Meine Befürchtungen haben sich bestätigt …«, fängt er an, nachdem er den Umschlag vor sich abgelegt hat. »Es handelt sich tatsächlich um Lymphdrüsenkrebs …«
    Philippe reibt sich mit der Hand übers Gesicht und schaut aus dem Fenster. Der Regen, der bei ihrer Ankunft in Maisons-Alfort vom Himmel fiel, hat aufgehört. Zwischen den Wolken ist die Sonne durchgebrochen, und ihr Licht fällt glitzernd auf den nassen Asphalt.
    »Was kann man tun?«
    »Zweierlei, allerdings ohne jede Garantie. Alles ist möglich: eine Besserung, eine Besserung mit Rückfall oder gar keine Bessrung. «
    »Und was wären das für Behandlungen?«
    »Zunächst einmal eine Strahlentherapie. In einem zweiten Schritt, falls das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, eine Chemotherapie.«
    Philippe betrachtet Baudelaire, der neben ihm auf dem Boden sitzt, und streichelt ihm sanft über den Rücken.
    »Sagen Sie mir alles«, verlangt er.
    »Die Therapie wird unter Vollnarkose durchgeführt und besteht aus zwölf Bestrahlungen in einem Zeitraum von vier Wochen. Das Gleiche gilt für die Chemotherapie. Man kann die beiden Behandlungen auch gleichzeitig durchführen, aber in der Regel ist das für das Tier sehr belastend. Eine Behandlung allein ist schon anstrengend genug.«
    Baudelaire hat den Kopf auf Philippes Oberschenkel gelegt und schnarcht zufrieden vor sich hin.
    »Und die Nebenwirkungen?«
    »Da kann es viele geben. Die häufigsten sind Haarausfall, Appetitlosigkeit und fehlender Durst. Dadurch drohen Dehydrierung und Mangelernährung, die aufgrund der Belastung des Organismus durch die schwere Behandlung zum Problem werden können.«
    »Das wird nicht passieren, da passe ich auf.«
    »Hinzu kommt«, fährt der Tierarzt fort, »dass Sie für die zwölf Bestrahlungen ungefähr tausendzweihundert Euro veranschlagen müssen …«
    Philippe hebt mit schicksalsergebener Miene die Brauen. »Ich weiß, das ist sehr teuer und wird von den Versicherungen praktisch nicht übernommen.«
    »Zumal ich gar keine habe …«
    »Das denke ich mir …«
    Die beiden Männer sehen sich an. Baudelaire hat die Augen geschlossen.
    »Wie viel Zeit haben wir?«
    »Die Lymphbahnen sorgen dafür, dass sich Antikörper und Makrophagen, die für ein funktionierendes Immunsystem notwendig sind, außerhalb der Blutgefäße im ganzen Körper verteilen. Das Lymphsystem kommuniziert mit den meisten lebenswichtigen Organen wie dem Herzen oder der Milz. Die Lymphe wird in den Lymphknoten von Abfällen aus den Zellen gereinigt. Insofern sind sie bei Krebserkrankungen der ideale Ort, um die Krankheit auf andere Organe auszuweiten.«
    »Verstehe. Je schneller wir handeln, desto größer die Chance, dass …«
    Philippe spricht den Satz nicht zu Ende. Der Arzt nickt.
    »Es tut mir leid.«
    »Selbst mit meinen etwas mehr als vierhundert Euro Sozialhilfe …«
    »Ich kann versuchen, eine Ratenzahlung über mehrere Monate auszuhandeln«, schlägt der Tierarzt vor. »Ich kann Ihnen nichts versprechen, aber …«
    Er hält Philippe den Umschlag mit den Untersuchungsergebnissen hin.
    »Ich bringe Sie zur Tür …«

Krisensitzung
    Das Brummen des Kühlschranks geistert durch Bébères Küche. Er und Philippe sitzen einander gegenüber an dem kleinen Tisch. Fatima lehnt an der Arbeitsfläche, und Ahmed, der inzwischen Stammgast geworden ist, hockt auf dem roten Holztörchen. Die Blicke schweifen gedankenverloren ins Leere. Nur Baudelaire sieht mit fragend aufgerichteten Ohren reihum in die betretenen Gesichter.
    »Verdammter
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