Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
darüber hinausgedacht hätte.
    Hamid schien das auch zu spüren. Er
sagte: »Das Boot gehört Eric Sparling. Er wird uns die Küstenwache
hinterherhetzen, wenn er merkt, daß es weg ist.«
    »Sind Sie so dumm geboren, oder ist das
eine neuere Erscheinung? Glauben Sie wirklich, ich würde den Kahn ohne
Sparlings Erlaubnis nehmen? Ich übernehme manchmal kleine Jobs für ihn; der
letzte bestand darin, ihn und seine Frau zum Flughafen zu bringen, weil sie
einen Monat Urlaub in Frankreich machen. Er hat mir angeboten, das Boot zu
benutzen, und mir die Schlüssel gegeben.«
    »Aber er hat sicher nicht gemeint, daß
Sie es ohne die Crew benutzen sollen. Sie können es unmöglich allein segeln.«
    Verdammt, Hamid überspannte den Bogen.
Ehe Newton antworten konnte, fragte ich: »Und Ihre Botschaft an die Welt? Wann
werden Sie die übermitteln?«
    »Sobald wir auf See sind, enthülle ich
die Gründe für die Anschläge — und für Mr. Hamids Bestrafung.«
    »Wie?«
    »Über meinen Laptop.« Er nickte in
Richtung Bugkabine. »Brauchen Sie dafür keinen Telefonanschluß?«
    Newton sah plötzlich erschrocken drein.
Er hatte tatsächlich nicht weit genug gedacht. Er schüttelte den Kopf, als
könnte er den Planungsfehler durch Leugnen ungeschehen machen.
    Hamid nutzte den Moment der Ablenkung
und trat einen Schritt auf ihn zu.
    Newton riß die Pistole hoch, zielte auf
ihn. Seine Hand war alles andere als ruhig. Hamid erstarrte und wich dann
zurück.
    Newton sah auf die Handschelle, die an
Hamids Handgelenk baumelte, schien dann aber einzusehen, daß es besser war,
Abstand zu halten. »Eine Bewegung«, erklärte er Hamid, »und ich erschieße Sie.
He, Sie«, sagte er zu mir, »gehen Sie zu ihm und schließen Sie...«
    Aber ich hatte den richtigen Nerv
gefunden. »Sie werden ihn nicht töten«, sagte ich rasch. »Nicht mit der
Pistole, nicht von Angesicht zu Angesicht.«
    »Ach, nein? Ich habe vor der gestrigen
Aktion schon drei Menschen getötet. Und wer weiß, wie die Bilanz im Konsulat
aussehen wird?«
    »Das ist etwas anderes. Da waren Sie
nicht dabei. Sie haben Ihre Opfer nicht in Flammen aufgehen sehen. Nicht den
Geruch ihres brennenden Fleisches gerochen, nicht gehört, wie...«
    »Schluß jetzt!« Die Pistolenmündung
schwenkte wacklig zu mir herüber.
    »Mich werden Sie auch nicht
erschießen«, sagte ich sanft — und überzeugter, als ich es war. »Das würde
Ihnen viel zu weh tun — so, wie Ihnen Chloes Tod weh getan hat. Damit hat alles
angefangen, mit Ihrem Schmerz...«
    »Sie hat recht«, fiel mir Hamid ins
Wort. »Sie sind ein mieser Feigling.«
    »Halten Sie den Mund!« fuhr ich ihn an.
    Er ignorierte mich, schien sich durch
das, was ich zu Newton gesagt hatte, gestärkt zu fühlen. Eine Woge von Zorn und
Haß hatte seine Angst überschwemmt; ich sah grimmige Entschlossenheit in seinen
Augen.
    »Sie wollen ein Mann sein, Fig? Ein
Waschlappen sind Sie. Dieses ganze Getue wegen einer billigen kleinen Schlampe,
die nur gekriegt hat, was sie verdient hatte! Sie sind ein gottverdammter
Roboter. Sie reden per Computer. Sie töten per Fernzündung.«
    »Hamid! Halten Sie die Klappe!«
    »Wahrscheinlich vögeln Sie auch aus der
Ferne — falls Sie überhaupt je einen hochkriegen.« Er trat einen weiteren
Schritt vor.
    »Hamid, verdammt...«
    Aber ich konnte ihn jetzt nicht mehr
aufhalten. Seine Wut setzte sich in blinde Selbstüberschätzung um. Ich sah, wie
sich seine Muskeln anspannten, wußte schon im Moment, bevor er es tat, daß er
Newton attackieren würde. Mir blieb nur zu reagieren.
    Hamid schnellte vor und versuchte, die
Pistole wegzudrücken. Er verfehlte sie, und bevor er gegen Newton prallte,
blitzte die Mündung auf, und die Kugel schlug irgendwo in Hamids Oberkörper.
Ich bewegte mich ebenfalls, taub von dem Knall, der die Kajüte erzittern ließ.
Nicht nach vorn; Newton hatte immer noch die Pistole, und es war zu eng, um den
Versuch zu wagen, ihn zu entwaffnen. Rückwärts, zwei schnelle Schritte, so daß
ich mit einer Hand die Glühbirne draußen an der Kajütstreppe zerschlagen
konnte. Just in dem Moment, da Newton sich von Hamids taumelndem Körper
befreite, wurde es in der Kajüte dunkel.
    Ich tastete an der Kajütwand nach dem
Kästchen mit der Leuchtpistole. Blut quoll aus einem Schnitt an meiner Hand.
Hinter mir erfüllten Geräusche die grauschwarze Dunkelheit: das schwere,
blubbernde Atmen eines Sterbenden; wilde, unartikulierte Laute aus Newtons
Kehle; Adahs beschleunigter Atem. Ich fand das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher