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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort
Autoren: Marcia Muller
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Hamid«, sagte er.
»Ich bedaure, daß wir uns gestern abend bei mir zu Hause verpaßt haben. Nein,
das ist gelogen; es hätte das ganze Spiel verdorben, wenn Sie mir so einfach in
die Hände gefallen wären.«
    Hamids Lippen zuckten, aber er sagte
nichts.
    »Sind Sie allein?« fragte Newton jetzt
mich.
    »Ja.«
    »Haben Sie die Kassette gelöscht?«
    Ich nickte.
    »Legen Sie den Recorder auf den Tisch.«
    Ich zog ihn langsam aus der
Sweatshirttasche und legte ihn hin. »Handschellen auf schließen.«
    Ich löste die Handschelle auf meiner
Seite, ließ sie an Hamids Handgelenk baumeln. Legte die Schlüssel neben den
Recorder.
    Newton winkte Hamid weiter in den Raum
hinein, vor die verschlossene Verbindungstür zur Bugkajüte. Ich blieb an meinem
Standort auf halbem Weg zwischen ihm und der Treppe. Als Hamid sich an ihm
vorbeibewegte, musterte er Newton nachdenklich. »Tja, Mr. Hamid, ich muß schon
sagen, jetzt sehen wir ganz schön kleinlaut aus. Geradezu ängstlich. Aber
Männer, die sich an hilflosen Frauen vergreifen, sind ja meistens Feiglinge.«
    Hamid zuckte zusammen.
    Adah sah mich eindringlich an. Dann
bewegte sie die Augen nach rechts. Ich sah in die entsprechende Richtung, kam
aber nicht dahinter, was sie mir bedeuten wollte.
    Newton sagte zu mir: »Sie scheinen
nicht überrascht, mich hier anzutreffen.«
    »Ich bin schon vor einer Weile
draufgekommen.«
    »Dachte ich mir. Erzählen Sie: Wie ist
die kleine Show am Marina Green angekommen?«
    »Wie Sie es sich gedacht hatten. Sie
müssen das Ganze von langer Hand geplant haben.«
    »Um ehrlich zu sein, ich habe
schrittweise improvisiert, seit ich Hamids Zettel unter meiner Tür fand und
begriff, daß er mir im Konsulat entwischt war. Die letzten Schritte haben sich
ergeben, nachdem Sie mir erklärt haben, daß sie ihn gegen Inspector Joslyn
austauschen würden. Ich war mir nicht sicher, ob Sie Hamid rechtzeitig
aufspüren würden, aber ich habe gehofft, daß Sie es über Leila schaffen. Als
Sie ihn hatten, war es ein ziemlicher Streß, alles vorzubereiten.«
    »Und nun, da Sie ihn haben — was
jetzt?«
    »Jetzt werde ich der Welt meine
Botschaft bekanntgeben.«
    »Ihre Botschaft?«
    Er sah mich verächtlich an. »Inzwischen
dürften Sie es doch wohl kapiert haben. Meine Botschaft ist der Kampf gegen die
diplomatische Immunität. Ich werde den Grund der Anschläge bekanntgeben, indem
ich an diesem Dreckskerl ein Exempel statuiere.« Er zeigte mit der Pistole auf
Hamid.
    »Wie das?«
    Newton antwortete nicht. Seine Augen
funkelten heftiger; er reckte sich noch kerzengerader empor. Wenn er nicht so
gefährlich gewesen wäre, hätte ich seine Verkünderpose komisch gefunden.
    »Ein paar Stunden Improvisation«, sagte
er, »und die ganze Stadt und das FBI beugen sich meinem Willen. Hunderttausende
von Menschen sitzen vor ihren Computern und warten in atemloser Spannung auf
mein nächstes Wort. Morgen schon werde ich die Aufmerksamkeit der ganzen Welt
haben. Und das alles mit einer Vorbereitung von wenigen Stunden.«
    Seine Botschaft an die Welt war jetzt
zweitrangig, das merkte ich. Und ebenso seine Rache an Hamid. Chloe Love und
ihr Tod waren nur noch eine vage Erinnerung. Was jetzt für Newton zählte, war
Macht. Er hatte sie, und er schwelgte darin. Die langen Jahre verborgener
krimineller Aktivität hatten eine kontrollierte Psychose genährt; der
berauschende Höhepunkt hatte sie endgültig entfesselt.
    Adah sagte: »McCone hat Sie etwas gefragt,
Newton — wie?«
    Sein Blick schwenkte zu ihr hinüber,
was mir erlaubte, noch einmal in die Richtung zu schauen, die mir ihre Augen
gewiesen hatten. Jetzt sah ich es: eine Leuchtpistole in einem aufklappbaren
Glaskästchen, das an der Wand gleich bei der Kajütentreppe hing.
Standardausrüstung eines Kutters von dieser Größe. Ich konnte nicht erkennen,
ob die Pistole geladen war, aber daneben lag eine Schachtel Leuchtmunition...
    Newton sagte: »Unfall auf hoher See.«
    »Wo? «
    »Das braucht Sie nicht zu interessieren.
Wir werden alle vier in See stechen. Ich werde Sie und Ms. McCone an einem Ort
absetzen, wo Sie keinen Kontakt mit der Polizei aufnehmen können, bevor Mr.
Hamid und ich nicht schon eines gutes Stück Weges hinter uns haben.«
    »Ein gutes Stück Weges wohin?« hakte
Adah nach.
    »...Das ist meine Sache.« Newtons Augen
glitzerten immer noch triumphierend, aber ich sah jetzt eine Spur von
Unsicherheit in seinem Blick, als ob er in seiner Hast, die große Show zu
inszenieren, nicht weit genug
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