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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika
Autoren: Pierre Bellemare
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so gut wie jeder, dass nicht Christoph Columbus als Erster Amerika entdeckt hat, sondern vielmehr, etwa im Jahr tausend, der Wikinger Erich der Rote. Das, was er und seine Gefährten gesehen hatten, wurde vermutlich in den skandinavischen Ländern mündlich überliefert und der anonyme Freskenmaler hatte sich daran wohl erinnert.
    Dies war damals die Sachlage, zumindest fast zwei Jahre lang, bis am 7. Oktober 1952 ein Mann um die vierzig den Hauptkommissar von Lübeck sprechen wollte. Als dieser hörte, dass es um die Fresken der Marienkirche gehe, empfing er den Fremden schließlich. Der stellte sich vor: »Ich bin Lothar Malskat. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    Der Mann lächelte bitter. »Natürlich, damals war jeder nur von Dietrich Fey begeistert. Die Interviews in den Zeitungen, die Glückwünsche des Kanzlers — er hat alle Ehrungen eingeheimst. Für diese Arbeit hat er hundertzwanzigtausend Mark erhalten und mir hat er pro Woche gerade mal hundert gegeben. Dabei habe eigentlich ich alles gemacht.«
    »Es tut mir Leid, aber wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Sie verstehen nicht. Wenn ich sage, dass ich alles gemacht habe, soll das heißen, dass ich die Fresken gemalt habe. Sie waren derart zerstört, dass sie überhaupt nicht mehr restauriert werden konnten. Dietrich Fey hatte alle entfernen lassen und mir befohlen, sie nach meiner Inspiration neu zu malen... Das ist übrigens nicht das erste Mal, das Gleiche hat er schon mit dem Schleswiger Dom gemacht.«
    »Was hatte es damit auf sich?«
    »Es war noch vor dem Krieg. Dietrich Fey sollte gotische Fresken restaurieren, die im 19. Jahrhundert durch wertlose Malereien übertüncht worden waren. Da er das Abwaschen der Wände nicht ordnungsgemäß ausgeführt hatte, war daraufhin alles verschwunden. Also hat er mich geholt, damit ich die abgewaschenen Fresken durch neue ersetze. Er wusste, dass ich sehr schnell malen und gut kopieren konnte.«
    Der Kommissar betrachtete den mageren Mann mit dem dunkelbraunen Vollbart. Er schien nicht gerade sehr ausgeglichen zu sein und wirkte etwas geheimnisvoll. Hatte er es etwa mit einem krankhaften Lügner zu tun, der hier Anklage erhob? Das war immerhin möglich. Sein Bericht klang zwar etwas wirr, aber durchaus ehrlich. Der Kommissar sagte: »Das sind ungeheuer schwer wiegende Anschuldigungen. Weshalb haben Sie damit zwei Jahre gewartet?«
    »Wegen der Truthähne.«
    »Wie bitte?«
    »Die Truthähne, die aus Amerika stammen und die der anonyme Künstler 1300 noch nicht gekannt haben konnte. Ich verstehe nicht, dass man dadurch nicht alles aufgedeckt hat. Auf jeden Fall konnte ich nicht mehr schlafen. Ich hatte Angst, entdeckt zu werden, und außerdem fühlte ich mich schuldig. Ich hatte den Geist des ursprünglichen Künstlers beleidigt, indem ich diese Truthähne hinzugefügt hatte. Doch das war nicht meine Schuld. Ich wusste es nicht und zudem musste ich schnell arbeiten.«
    Der Kommissar holte nach diesem Gespräch Erkundigungen über Lothar Malskat ein. Was er erfuhr, entsprach dessen Aussagen. Er wurde 1913 in Königsberg, Ostpreußen, geboren. Nachdem er Malerei studiert hatte, wurde Professor Fey, ein renommierter Kirchenrestaurator, auf ihn aufmerksam.
    Tatsächlich besaß Malskat, wie er behauptet hatte, das ungewöhnliche Talent, die Stilarten aller Epochen nachmalen zu können, und zudem arbeitete er sehr schnell. Der Professor engagierte ihn für Restaurationsarbeiten und zahlte ihm pro Stunde eine Mark zwanzig. Fey heimste an seiner Stelle den Ruhm ein und kassierte zudem die hohen Preise für die Arbeiten. Lothar Malskat hatte auch 1937 in dessen Auftrag den Schleswiger Dom restauriert.
    Nachdem Malskat während des Krieges in Norwegen gekämpft hatte, zog er nach Hamburg und lebte mehr schlecht als recht von der Malerei. Im Nachkriegsdeutschland waren die Gemäldehändler nicht gerade geizig, und wahrscheinlich gehörte er zu den Fälschern, die gerade Hochkonjunktur hatten und in den besetzten Ländern gefälschte Rembrandts, Watteaus, Degas’, Corots, Van Goghs, Renoirs, Chagalls, Matisses oder Utrillos als von den Nazis gestohlene Gemälde ausgaben.
    Doch währte diese gute Phase nicht ewig und Lothar Malskat verbrachte eine schwere Zeit. Dietrich Fey beauftragte ihn schließlich mit der Restauration der Marienkirche in Lübeck und er nahm den Auftrag an. Dies besagte auch die Akte, die die Polizei über Malskat anlegte. Doch Dietrich Fey war so angesehen, dass er ungeschoren
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