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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika
Autoren: Pierre Bellemare
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Behörden in Anwesenheit inländischer Kunstexperten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer ließ sich von Dietrich Fey die Fresken erklären, und der berichtete ihm auch von den Problemen, die er hatte bewältigen müssen.
    »Wissen Sie, Herr Bundeskanzler, hier fand eine regelrechte Renaissance statt. Viele Teile waren verbrannt und einige waren durch die Druckwelle beschädigt worden.«
    »Wie gelang es Ihnen, sie unter diesen Umständen zu rekonstruieren?«
    »Das genau ist mein Beruf. Bei den Farben genügt ein unbeschädigtes Bruchstück, und sei es nur ein Quadratmillimeter, um sie wieder rekonstruieren zu können. Was das Motiv der Fresken betrifft, so gelingt es immer, auch wenn es stellenweise zerstört ist, die Linien aufzufinden und sie fortzuführen.«
    Dr. Adenauer beglückwünschte Dietrich Fey zu seiner Arbeit und die Bewohner Lübecks, die ihre renovierte Kirche besichtigten, zeigten dieselbe Begeisterung. »Was für zarte Farben! Welche Ausdruckskraft der Gesichter.«
    »Das ist wirklich ein Wunder.«
    Alle waren stolz, dass dieses historische Kleinod in ihrer mittelalterlichen Stadt wieder restauriert war, und die Post gab kurz darauf zwei Briefmarken heraus, welche die Fresken zeigten; auf diesen Marken stand: »Gedenkmarke zum siebenhundertjährigen Bestehen der Lübecker Marienkirche.«
    Die Verantwortlichen bei der Post hatten natürlich bei ihrer Motivwahl den Hauptteil, also den Chor, ausgewählt, wo sich auch die Jungfrau Maria befand, der die Kirche gewidmet war. Es wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen, sich für einen anderen Teil zu interessieren, unten rechts von einer der Seitenfresken, am äußersten Ende des Werks. Der Künstler, der hier das irdische Paradies dargestellt hatte, hatte in eine leuchtend grüne Umgebung inmitten anderer Tiere der Schöpfung zwei Truthähne gesetzt.
    Auch wenn dies erstaunlich erscheinen mag, sind diese bescheidenen Vögel die Hauptgestalten dieser Geschichte.
     
    In den folgenden Monaten gab es seitens der Spezialisten viele Würdigungen dieser bewundernswerten Fresken. In einer eigens diesen Fresken gewidmeten Broschüre der Kieler Kunsthalle konnte man lesen: »Die Jungfrau Maria ist wunderbar; die Heiligen scheinen, in Erwartung des Jüngsten Gerichts, den Blick nach Westen zu richten. Der mittelalterliche Künstler, dem Lübeck dieses Meisterwerk verdankt, ist unbekannt. Sicher war er ein Nachkomme dieser sehr alten Meister, die ihre ganze Persönlichkeit — wenn auch ungenannt — in die Arbeit einbrachten.«
    Ein Schweizer Kunsthistoriker schrieb in einem Werk über mittelalterliche Kunst in Deutschland: »Die Bilder der Heiligen, die in Dreiergruppen dargestellt sind, sind die ausdrucksvollsten. Auch die Apostel, die Patriarchen und die Mönche sind in Dreiergruppen abgebildet. Alle wurden in einem recht schlichten Stil konzipiert, fast romanisch. Sie sind deutlich älter als die Figuren des Kirchenschiffs. Deren Umrisse sind biegsamer, weicher, durch und durch gotisch und erinnern an die Personen der Heldenepen, die im Übrigen ungefähr aus der gleichen Zeit stammen...«
    Eines Tages verlangte einer der zahlreichen Besucher, die herbeigeströmt waren, um die Fresken der Lübecker Marienkirche zu bewundern, den Kirchenverwalter Bruno Fendrich zu sprechen. Nachdem er ihm Komplimente über die gelungene Restauration gemacht hatte, kam er auf das zu sprechen, was ihn eigentlich hergeführt hatte.
    »Was mich stört, sind die Truthähne.«
    »Die des irdischen Paradieses? Was werfen Sie ihnen denn vor?«
    »Ich werfe ihnen nichts vor, ich wundere mich nur über ihre Anwesenheit. Die Truthähne stammen schließlich aus Amerika, genauso wie zum Beispiel die Kartoffel.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Unbedingt. Ich bin Geschichtsprofessor an der Universität. Die Truthähne wurden etwa um 1550 von den Spaniern in Europa eingeführt, und da die Fresken auf etwa 1300 datiert werden...«
    Der Verwalter Bruno Fendrich war außer sich und wandte sich daraufhin an Spezialisten für mittelalterliche Kunst und andere Historiker. Es gab eine Diskussion, die in der Presse veröffentlicht wurde. Doch entgegen dem, was man hätte annehmen können, stellten die Ergebnisse der einen sowie der anderen Gelehrten die Echtheit des Werks nicht in Frage. Im Gegenteil, sie trugen dazu bei, dass Lübeck einen noch größeren Stolz empfand.
    Im Hochmittelalter gehörte die Stadt zu Dänemark, der Heimat der Wikinger. Mittlerweile weiß ja
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