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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika
Autoren: Pierre Bellemare
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Wissenschaftler und hatte seinen Abschluss an der Elitehochschule Ecole des mines gemacht. Sein Spezialgebiet war die mineralische Chemie. Allerdings hatte er schon immer mehr durch Intelligenz als durch eine ethische Gesinnung geglänzt. Bereits als Kind zeigte er eine besondere Begabung für Taschenspielertricks. Zauberkünstler war sogar sein Traumberuf. Seine Eltern entschieden jedoch anders und zwangen ihn zu studieren. Aber er nahm seine Revanche! Er wollte Wissenschaft und Taschenspielerei vereinen, um zu beweisen, wie fruchtbar eine Verbindung zwischen beidem sein kann.
    Zurück in Paris richtete Henri Lemoine in einer kleinen Zweizimmerwohnung in der Rue Lecourbe ein Labor ein, zu dem nur er allein den Schlüssel besaß. Übrigens war das rasch erledigt, weil die Ausstattung eigentlich nur aus einem elektrischen Ofen bestand. Für seine angeblichen Versuche ließ er eine angemessene Frist verstreichen. Dann schickte er ein Telegramm an Sir Julius Wernher nach London.
    Dieser eilte sofort herbei, sodass schon am 12. Juni 1905 die große Vorführung stattfand. Beim Anblick der schäbigen Umgebung zog der Brite ein verblüfftes Gesicht, doch sein Gastgeber beruhigte ihn lächelnd. »Diskretion geht über alles, Sir Julius. Und vergessen Sie nicht, dass die Erfindungen, die die Welt verändert haben, oft an Orten wie diesem hier gemacht wurden.« Der Direktor der De Beers setzte sich auf einen Stuhl, den er vorher mit dem Taschentuch abgestaubt hatte. Henri Lemoine stellte den elektrischen Ofen auf den Tisch, schob den Stecker in die Steckdose, klappte die Ofentür auf und holte zwei kleine Schachteln herbei.
    Als er den Inhalt der ersten in den Ofen hineinschüttete, verkündete er feierlich: »Das weiße Pulver!« Dann tat er dasselbe mit dem Inhalt der zweiten Schachtel: »Das schwarze Pulver!«
    Anschließend schloss er den Ofen und drückte auf einen roten Knopf. Es knisterte. Er ließ etwa eine Minute verstreichen und drückte dann erneut auf den Knopf. »Wenn Sie bitte öffnen und sich selbst überzeugen wollen...«
    Mit immerhin leicht zitternder Hand gehorchte Julius Wernher und zog ein paar bräunliche Steinchen heraus.
    »Was ist das? Sieht aus wie Bort.«
    Der Franzose schaute es sich ebenfalls an. »Tatsächlich, das ist Bort. Natürlich ist es noch nicht ganz perfekt, aber das Ergebnis ist ermutigend. Chemisch gesehen ist die Formel dieselbe. Mir fehlt wohl nur noch ein bisschen Übung.«
    Der Direktor der De Beers nickte, während er das dunkle Häuflein in seiner Hand musterte. Bort ist ein Rohdiamant von geringer Qualität, der zwar zur Schmuckverarbeitung ungeeignet ist, den man jedoch zum Polieren der eigentlichen Diamanten verwendet. Das war tatsächlich ein bemerkenswertes Ergebnis, obwohl es wirtschaftlich gesehen keinen besonderen Wert besaß.
    »Das weiß ich zu schätzen, Monsieur Lemoine. Doch die vereinbarte Summe kann ich Ihnen nur gegen echte Diamanten auszahlen.«
    »Selbstverständlich, Sir Julius. Dieses Missgeschick tut mir leid, aber ich bin sicher, dass wir beim nächsten Mal Erfolg haben. Möchten Sie morgen wieder kommen?«
    Der Brite willigte ein und erschien auch am nächsten Tag zur selben Zeit in der Zweizimmerwohnung in der Rue Lecourbe. Henri Lemoine hatte absichtlich mit einem halben Fehlschlag angefangen. Wie alle Künstler, insbesondere alle Taschenspieler, verstand er es, seine Wirkung zu dosieren. Wenn man gleich mit dem besten Trick anfängt, weiß ihn das Publikum nicht richtig zu schätzen. Wenn man dagegen die Spannung langsam steigert...
    Als Sir Julius Wernher am nächsten Tag zurückkehrte, war er gespannt wie ein Flitzbogen. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und stellte sich fieberhaft die Frage, ob diesmal wieder Bort oder echte Diamanten aus dem Ofen kommen würden.
    Henri Lemoine vollzog dasselbe Ritual, schüttete nacheinander das weiße und das schwarze Pulver in den Ofen hinein und öffnete die Ofentür...
    »Schauen Sie. Ich glaube, dieses Mal hat es geklappt.« Trotz seiner britischen Gelassenheit stürzte Julius Wernher herbei.
    »Heiliger Strohsack!«
    In der Hand hielt er, vermischt mit Schlacke und Asche, zwanzig weiße, zwar kleine, jedoch lupenreine Diamanten, die noch ganz heiß waren. Sir Julius schluckte mühsam und bemühte sich, sein Herzklopfen in den Griff zu bekommen. Vielleicht war das nur Schwindel, aber wenn es keiner war, stand die ganze Edelsteinindustrie Kopf. Firmen wie De Beers könnten dann ihre Minen schließen und
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