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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika
Autoren: Pierre Bellemare
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davonkam. Folglich tat der Maler den entscheidenden Schritt. Er nahm sich einen Anwalt und bezichtigte sich selbst der Fälschung. Daraufhin sah man sich gezwungen, ihn festzunehmen und er wurde vor den Kommissar geladen.
    Malskat legte seine Anklage gegen Fey folgendermaßen dar: »Fey hat damals die Neugierigen abgehalten, indem er vor dem Portal ein Plakat anbrachte, auf dem >Achtung! Einsturzgefahr< stand. Er kaschierte die Restaurationsarbeiten, indem er alle möglichen Gerüste aufstellte. Zudem lag er stets auf der Lauer. Wenn sich nämlich jemand trotz der Warnung dem Ort näherte, hustete er, und ich musste meine Arbeit unter Brettern verbergen.«
    Lothar Malskat ging sogar noch einen Schritt weiter, er legte einen Beweis vor, ein Foto, das er aufgenommen hatte. Es zeigte die leeren Wände der Marienkirche, bevor die Fresken gemalt wurden.
    Dietrich Fey griff ihn wegen Diffamierung an. Das Foto sei eine Trickaufnahme und Lothar Malskat ein Fantast oder ein krankhafter Lügner, der sich nur wichtig machen wolle.
    Hier konnten nur noch Experten entscheiden. Eine Kommission wurde unter dem Vorsitz von Professor Grundmann, Hamburg, Präsident des Verbands für Denkmalschutz, gebildet. Das Ergebnis war unwiderruflich: »Die einundzwanzig Figuren im Chor stammen nicht aus der Gotik, sondern sind das Werk von Lothar Malskat.«
    Das Urteil wurde am 25. Januar 1955 gesprochen. Dietrich Fey wurde zu zwanzig Monaten Gefängnis verurteilt, Lothar Malskat zu achtzehn Monaten. Da Letzterer diese Zeit bereits in Untersuchungshaft verbracht hatte, wurde er unverzüglich freigelassen und wanderte nach Schweden aus, wo es ihm gelang, seinen Lebensunterhalt mit der Malerei zu verdienen — in allen Ehren.
    Doch das Erstaunlichste an dieser ganzen Geschichte sollte erst noch kommen und dabei handelt es sich keineswegs um eine Anekdote. Vielmehr hat es eine philosophische Dimension, das heißt, es ist uns heute erlaubt, das Gefühl eines Menschen als einziges Kriterium für die künstlerische Schönheit anzusehen.
    Als Folge des Urteils wurden die Fresken der Marienkirche in Lübeck abgewaschen und so lange bearbeitet, bis die Wände wieder so kahl waren, wie es einst Lothar Malskat auf dem Foto festgehalten hatte, bevor er damit angefangen hatte, sie zu bemalen. Warum?, fragt man sich da.
    Warum wurden diese Fresken, die selbst der Kanzler bestaunt hatte, welche die Kritiker in den Himmel gelobt hatten, die von der ganzen Stadt bewundert und die auf zwei Briefmarken abgebildet worden waren, plötzlich als schändlich und verachtenswert angesehen? Nur, weil gerade bewiesen worden war, dass sie nicht authentisch waren? Aber was änderte das an ihrer Schönheit?
    Sie waren nicht von einem anonymen Maler des Jahres 1300 gemalt worden, sondern von einem des 20. Jahrhunderts, der etwas mystisch inspiriert gewesen war und der sie voller Hingabe gemalt hatte. Nach der allgemeinen Meinung fügten sie sich ideal in das Bild der Marienkirche ein. Die Jungfrau inmitten des Chors war wunderschön. Und die Heiligen, die auf das Jüngste Gericht warteten, den Blick nach Westen gerichtet, hatten ebenfalls ein anmutiges Antlitz. Auch die Figuren des Kirchenschiffs, die an die Gestalten der Heldenepen erinnerten, strahlten glanzvoll. Und zweifellos waren auch die Truthähne, welche in Gesellschaft der anderen Tiere der Schöpfung das irdische Paradies genossen, wunderbar anzusehen. Warum also sollten sie nicht mehr so schön sein, nur weil sie nicht von dem Künstler gemalt worden waren, dem man sie zugesprochen hatte? Ja, warum?
     

Der Autor
     
    Pierre Bellemare wurde 1929 in Frankreich geboren. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft für Technik und Reportage und wurde Mitarbeiter beim Hörfunk und später Produzent beim Fernsehen. 1955 begann seine erste Sendereihe: »Vous êtes formidable«. Mit dieser Live-Sendung wurde Pierre Bellemare zum berühmtesten und erfolgreichsten Rundfunk- und Fernsehmann in Frankreich.
    Von 1972 bis 1986 leitete er die Sendung »Les dossiers extraordinaires«, in der er täglich live unglaubliche Geschichten erzählte, zuerst im Fernsehen, dann im Rundfunk. Der Erfolg dieser Sendungen war so überwältigend, dass Pierre Bellemare seine Geschichten veröffentlichte.
    Bisher sind in der nymphenburger erschienen: »Der Mann, der nicht zu hängen war« (1987), »Ein Alptraum für fünf Dollar« (1988), »Depesche aus dem Jenseits« (1989), »Das verwunschene Haus« (1993), »Nächte des Schreckens«
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