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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika
Autoren: Pierre Bellemare
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vergeblich, die Klausuren, die auf ihn warteten, zu korrigieren. Nach der dritten gab er auf. Wie hätte er sich nach allem, was er gehört hatte, noch auf solche Banalitäten konzentrieren können? Das Schicksal der Welt stand auf dem Spiel und damit auch sein persönliches. Franz Deker fing an, über sich selbst nachzudenken. Mit fünfzig hatte er das Gefühl, das Wesentliche nicht erkannt zu haben. Dieses allzu geordnete Leben eines eingefleischten Junggesellen, diese Routine, all die strengen Prinzipien, die er bis heute akribisch eingehalten hatte, hatten ihn schließlich erdrückt.
    Seit langem schon hatte er das unbestimmte Gefühl, dass er eines Tages eine große Entscheidung würde treffen müssen. Nun war der Moment gekommen, sich von seinem düsteren, mittelmäßigen Leben zu verabschieden. Im Übrigen hatte er gar nicht die Zeit, jetzt noch zu zögern. Wenn er in Maastricht bleiben würde, wäre er in jedem Fall verloren. Wenn er mit den anderen ans andere Ende der Welt segeln würde, würde das kein Abenteuer, sondern eine Reise in die Sicherheit bedeuten. Als Franz Deker vor seinem Schreibtisch stand, musste er unwillkürlich lächeln. Zum ersten Mal in seinem Leben gingen Wagemut und Weisheit Hand in Hand.
    Plötzlich stieß Franz jedoch einen ärgerlichen Seufzer aus. Es war ja leider nur ein Traum. Er hatte keinerlei Chance, zu den Auserwählten zu gehören. Warum sollte der Präsident gerade ihn auswählen, ihn, den kauzigen Philologieprofessor, der zudem nicht einmal Mitglied des GDK war?
    Seine Freude war unfassbar, als er wenige Tage später, nachdem er Adrian de Wit einen wirren, aber respektvollen Brief gesandt hatte, zu einem Treffen gebeten wurde.
    Franz Deker warf sich in Schale und begab sich zum Sitz des GDK. Im Vorzimmer, in das ihn ein Diener mit undurchdringlicher Miene gebeten hatte, spielte er, noch nervöser als beim ersten Mal, an den Knöpfen seiner Weste. Schließlich, nach endlosem Warten, kehrte der Bedienstete zurück und führte ihn in den großen Saal.
    Der Präsident saß im Hintergrund auf seinem Thron. Franz Deker blieb in der Nähe der Tür stehen. Doch Adrian de Wit sprach ihn mit seiner sonoren Stimme an: »Kommen Sie nur näher, mein lieber Freund, und nehmen Sie rechts von mir Platz.«
    Wie benommen ging Franz auf dem frisch gewachsten Parkettboden zwischen den Ehrfurcht gebietenden Porträts auf den Thron zu. »Lieber Freund« — der Präsident hatte ihn gerade mit »lieber Freund« angeredet und gebeten, sich rechts von ihm niederzulassen.
    Als er Platz genommen hatte und den Blick seinem Gesprächspartner zuwandte, der gut einen Meter fünfzig über ihm thronte, war er zu aufgewühlt, um Worte zu finden. Zum Glück kam ihm Adrian de Wit zu Hilfe. »Ihr Kollege hat Ihre beruflichen Verdienste und Ihre moralischen Prinzipien hoch gepriesen. Das ist gut, sehr gut sogar, Herr Deker. Sie genießen meine volle Wertschätzung. Reden Sie nur ganz ohne Furcht.«
    »Herr Präsident, ich denke... ich hatte mir überlegt, dass ein Professor auf dieser Insel von Nutzen sein könnte. Die Kultur ist ein Element, das nicht vernachlässigt werden darf, und wenn es Kinder unter den... Auserwählten gibt, könnte ich mich um ihre Bildung kümmern.«
    Der Präsident verharrte einen Moment in Schweigen. Franz Deker wagte es nicht mehr, ihn anzusehen. Jetzt würde sich sein Schicksal entscheiden. Schließlich ertönte Adrian de Wits Stimme. Und er stellte ihm die unglaubliche, verblüffende Frage: »Was halten Sie davon, Herr Deker, wenn Sie als Besoldung fünfzehnhundert Gulden pro Monat erhielten?«
    Franz war so verblüfft, dass er nur noch stammeln konnte: »Eine Besoldung? Aber ich dachte, dass ich einen finanziellen Beitrag leisten müsste. Ich habe ein paar Ersparnisse.«
    Der Präsident winkte von der Erhabenheit seines goldenen Throns ungeduldig herab.
    »Wissen Sie, Herr Deker, der GDK braucht kein Geld. Die beträchtlichen Spenden, die wir von bestimmten Persönlichkeiten erhalten, reichen uns aus. Ich kann Ihnen ja anvertrauen, dass Winnie... also, Sir Winston Churchill, uns bereits zwei Millionen Pfund gespendet hat.«
    Der Präsident legte die entsprechende Schweigepause ein, die eine solche Summe verdiente, und fuhr dann in einem entspannten, ja fast freundschaftlichen Ton fort: »Wenn Sie uns natürlich Ihre Ersparnisse anvertrauen wollen, können wir sie bei einer unserer Banken anegen und Ihnen jährlich einen Zins von zehn Prozent zahlen. Wie hoch sind sie?«
    Franz
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