Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
Konventionen usw. war — was für mich völlig in Ordnung war, da es meinerseits in dieser Hinsicht überhaupt keine nennenswerten Ideen gab.
    »Die Zeiten haben sich geändert«, fuhr ich fort. »Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, wenn die Leute sich lieben und so weiter.«
    »Wer hat denn gesagt, daß es wichtig ist«, entgegnete Brown abrupt. »Mach’s nur genau so, wie du es für richtig hältst, mein Sohn.«
    »Ich bin mir sicher, Tom meinte nicht ...«, begann Mrs. Brown.
    In dem nun folgenden Schweigen zwinkerte Brown mir zu und warf seiner Frau eine Kußhand zu.
    »Ich sag dir noch was, Simon. Deine Mutter wird wieder arbeiten, nicht, altes Mädchen. Marks & Spencers, wie gehabt. Und was noch besser ist, ich werde sie wie damals jeden Mittag abholen, und dann gehen wir zum Essen in das Café um die Ecke. Mein Büro ist nicht weit weg.«
    Mrs. Brown starrte ihn an, als wäre das, was er eben gesagt hatte, zu schön, um wahr zu sein. Dann schaute sie ihren Sohn an, der seine zweite Portion noch mehr genoß als die erste. Er kann’s kaum erwarten, wieder über sich zu reden, dachte ich. Er sagte nichts über die neue Arbeit seiner Mutter, daß es ihn freue etwa, allerdings konnte man seine Kopfbewegungen beim lautstarken Kauen durchaus als Nicken interpretieren. Vielleicht würde er etwas sagen, wenn er erst einmal hinuntergeschluckt hatte. Er legte Messer und Gabel penibel in der Mitte des Tellers zusammen und hielt sich mit beiden Händen den Bauch. Ich merkte, daß ich in diesem Augenblick eine noch größere Abneigung gegen ihn hatte als zuvor — egozentrischer Flegel, waren die Worte, die ich, glaube
ich, murmelte. Es war nicht schwer, sich ihn als aufsässigen, mürrischen Teenager vorzustellen. Und jetzt auch noch so eingebildet. Er konnte nicht einmal seiner Mutter sagen, wie sehr es ihn freue, daß sie wieder eine Arbeit habe, geschweige denn ihr zeigen, was sonst noch dazugehörte, ein wenig Liebe zum Beispiel. Wieder herrschte Schweigen.
    Sie schob ihren Stuhl zurück, um den Tisch abzuräumen, wie ich dachte. Doch sie streckte plötzlich die Hand aus, drückte die seine und hielt sie dann fest. »Wenn du nur wüßtest, Simon, wie glücklich ich bin, wir sind, dich wieder bei uns zu Hause zu haben.«
    Dann geschah etwas ganz Außergewöhnliches. Er stand auf, legte seine Serviette sehr nachdrücklich auf den Tisch, machte einen Schritt zur Seite und sank auf die Knie, daß ich schon dachte, er wäre ohnmächtig geworden. Mit einem heiseren Stöhnen tief aus seiner Kehle streckte er die Arme nach ihr aus, beugte sich vor und legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Seine Augen waren fest geschlossen, und seine Wangen waren feucht. Sie hatte angefangen, ihm über die Haare zu streichen. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Zuerst war nichts zu hören, dann fing er an zu schluchzen — plötzliche, schluckende Schluchzer, die am Tischtuch zerrten, und dazwischen das Geräusch ihres Murmelns, fast wie ein Summen.
    Brown nickte mir zu. »Nehmen Sie Ihr Glas mit.«
    Ich folgte ihm ins Wohnzimmer.
    »Trinken Sie aus«, sagte er. Ich hob mein Glas und trank den Wein aus. »Sehen Sie«, sagte er. »Da haben wir’s.«
    Ich nickte. »Ich sollte wohl besser gehen.«
    »Wäre vielleicht besser, ja. Obwohl’s eine Schande ist. Sie hat doch noch diese unglaublichen Meringen gemacht. Wieder Delia Smith, wenn man’s glauben will. Stunden hat sie gebraucht. Den ersten Versuch mußte sie wegwerfen. Und noch mal ganz von vorn anfangen. Und dann noch vier verschiedene Käse. Nein, fünf. Wegen dem Camembert hat sie mich extra noch mal losgeschickt. Eine Dinnerparty ohne Camembert geht nicht, meinte sie.«
    Er redete unter Schwierigkeiten, diese abgehackte, bemüht beiläufige
Stimme, die ihm immer wieder im Hals steckenblieb, so daß er sich nach jedem Satz räuspern mußte. Er schaute mich auch nicht an, was untypisch für ihn war. Er berührte ein Auge auf eine Art, an der ich merkte, daß dort Tränen waren.
    Er räusperte sich noch einmal laut. »Weiß eigentlich nicht so recht, was ich sonst noch sagen soll, um ehrlich zu sein. All diese vergeudeten Jahre. Es ist nie zu spät, nicht? Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Ein Wunder, könnte man’s wahrscheinlich nennen ... Er ist ein guter Junge, wissen Sie ... Wollte, daß wir stolz auf ihn sind, hat uns nichts vorgeworfen ... Wenn Sie nur wüßten ...« Er drückte sich die Faust an den Mund und drehte mir den Rücken zu. Er konnte einfach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher