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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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Lautlos stieg ich die Treppe hinunter. Als ich sah, daß ich nun schon seit einer Dreiviertelstunde badete, stellte ich das Wasser ab und ermöglichte meinen verdienten Domestiken ein wenig Schlaf. Ich selbst konnte mittlerweile auch welchen brauchen. Zuerst aber mußte ich noch einmal ins Krankenhaus und dort für Ordnung sorgen. Ich trennte Levys Kopf ab und schnitt sein Gesicht auf. Nach zwanzig Minuten hätte seine eigene Frau ihn nicht wiedererkannt. Dann ging ich zurück und ließ meine nassen Überschuhe und den Regenmantel an der Gartentür. Meine Hose trocknete ich an der Gasheizung im Schlafzimmer und bürstete allen Schmutz und Ziegelstaub heraus. Den Bart meines Armenhäuslers verbrannte ich in der Bibliothek.
    Ich schlief zwei Stunden von fünf bis sieben, dann kam mich mein Diener wie gewohnt wecken. Ich entschuldigte mich dafür, daß ich das Wasser noch so spät und so lange hatte laufen lassen, und fügte hinzu, daß ich wohl doch einmal den Wasserkessel nachsehen lassen müsse.
    Ich stellte mit Interesse fest, daß ich beim Frühstück ganz besonders hungrig war; es zeigte, daß meine Nachtarbeit doch recht kräftezehrend gewesen war. Danach ging ich ins Krankenhaus, um die Sezierarbeit fortzusetzen. Im Laufe des Vormittags kam ein besonders begriffsstutziger Polizeiinspektor, um sich zu erkundigen, ob eine Leiche aus dem Krankenhaus entlaufen sei. Ich ließ ihn zu mir in den Seziersaal führen und hatte das Vergnügen, ihm zu zeigen, was ich gerade mit Sir Reubens Kopf anstellte. Hinterher ging ich mit ihm in Thipps' Wohnung und sah zu meiner Befriedigung, daß mein Armenhäusler sehr überzeugend wirkte.
    Sowie die Börse öffnete, rief ich meine verschiedenen Makler an, und es gelang mir, behutsam den größten Teil meiner peruanischen Ölaktien auf einem lebhaften Markt abzustoßen. Gegen Ende des Tages wurden die Käufer dann jedoch infolge von Levys Verschwinden ein wenig unruhig, und am Ende hatte ich an der Transaktion nur ein paar hundert Pfund verdient.
    In der Hoffnung, hiermit alle die Punkte erhellt zu haben, die Ihnen vielleicht noch unklar waren, sowie mit einer herzlichen Gratulation zu Ihrem Glück und Scharfblick, mit denen Sie mich besiegt haben, verbleibe ich mit der Bitte um Empfehlung bei Ihrer Frau Mutter
Ihr sehr ergebener
Julian Freke
    P.S.: Mein Testament ist gemacht. Ich vermache darin mein ganzes Vermögen dem St. Luke's-Krankenhaus und übereigne meine Leiche derselben Institution zum Zwecke anatomischer Studien. Ich bin überzeugt, daß mein Gehirn für die Wissenschaft sehr interessant sein wird. Da ich von eigener Hand sterben werde, rechne ich in diesem Punkte allerdings mit Schwierigkeiten. Würden Sie mir, wenn Sie können, bitte den Gefallen erweisen, die mit der Untersuchung befaßten Personen aufzusuchen und dafür zu sorgen, daß mein Gehirn bei der Obduktion nicht von einem ungeschickten Quacksalber beschädigt wird und daß man mit meinem Körper meinem Wunsch gemäß verfährt?
    Es mag für Sie übrigens von Interesse sein, daß ich die Absicht Ihres Besuchs vom heutigen Nachmittag durchaus erkannt habe. Er sollte eine Warnung beinhalten, und ich befolge sie. Trotz der katastrophalen Folgen für mich war es mir eine Freude, zu sehen, daß Sie meine Nervenstärke und Intelligenz nicht unterschätzten und die Injektion verweigerten. Hätten Sie sich die Spritze geben lassen, so wären Sie natürlich nicht lebend nach Hause gekommen. In Ihrem Körper wäre keine Spur von dieser Injektion übriggeblieben, die aus einem harmlosen Strychninpräparat bestand, gemischt mit einem nahezu unbekannten Gift, für das es bisher keinen bekannten Nachweis gibt, nämlich eine konzentrierte Lösung von S..

    An dieser Stelle brach das Manuskript ab.
    »Nun, das läßt ja an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig«, sagte Parker.
    »Ist das nicht merkwürdig?« meinte Lord Peter. »Soviel Kaltblütigkeit und Intelligenz, und dann konnte er es sich nicht verkneifen, ein Geständnis zu schreiben, um uns zu zeigen, wie schlau er war, nicht einmal um seinen Kopf aus der Schlinge zu halten.«
    »Ein Glück für uns«, sagte Inspektor Sugg. »Bei Gott, Sir, diese Verbrecher sind doch alle gleich.«
    »Frekes Grabinschrift«, sagte Parker, nachdem der Inspektor gegangen war. »Was nun weiter, Peter?«
    »Ich werde ein Essen geben«, sagte Lord Peter, »und zwar für Mr. John P. Milligan und seinen Sekretär sowie die Herren Crimplesham und Wicks. Ich finde, sie haben es dafür
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