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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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Fußabdrücke zu hinterlassen. Ich überlegte kurz, ob ich es wagen sollte, die Haustür zuzuschlagen, fand es dann aber doch sicherer, den Schlüssel zu benutzen. (Er liegt jetzt in der Themse. Ich habe ihn am nächsten Tag von der Battersea Bridge hineingeworfen.) Ich schlich also nach unten und lauschte ein paar Minuten mit dem Ohr am Briefschlitz. Ich hörte einen Polizisten vorbeimarschieren. Sowie seine Schritte in der Ferne verklungen waren, trat ich hinaus und zog die Tür behutsam zu. Sie ließ sich fast geräuschlos schließen, und ich ging zu der Stelle zurück, wo mein Taxi warten sollte. Ich hatte einen Mantel von ungefähr demselben Muster wie Levys und war so umsichtig gewesen, einen Zylinder in meinen Koffer zu packen. Ich hoffte, der Fahrer würde nicht merken, daß ich diesmal keinen Schirm bei mir hatte. Zum Glück hatte der Regen im Augenblick etwas nachgelassen, es nieselte nur noch, und falls der Mann etwas gemerkt haben sollte, hat er jedenfalls nichts davon gesagt. Ich ließ ihn an den Overstrand Mansions Nummer 50 anhalten, bezahlte und blieb unter dem Torbogen stehen, bis er weggefahren war. Dann lief ich schnell zu meinem Nebeneingang und schloß auf. Es war Viertel vor zwei, und der schwerste Teil meiner Aufgabe lag noch vor mir.
    Meine erste Handlung mußte sein, das Aussehen meines Objekts so zu verändern, daß auf den ersten Blick niemand an Levy oder den Armenhäusler dachte. Eine nur oberflächliche Verwandlung erschien mir dazu ausreichend, da nach dem Armenhäusler sicher kein Hahn krähen würde. Seine Leiche war ja abgebucht, und ein Stellvertreter für ihn war auch da. Falls andererseits herauskäme, daß Levy bei mir gewesen war, würde es mir nicht schwerfallen, zu beweisen, daß die fragliche Leiche natürlich nicht die seine war. Eine glatte Rasur, ein bißchen Haarcreme und eine kleine Maniküre sollten wohl genügen, um meinem stummen Komplizen ein etwas vornehmeres Aussehen zu verleihen. Seine Hände waren schon im Krankenhaus gut gewaschen worden; sie hatten zwar Schwielen, waren aber nicht verdreckt. Ich konnte alle diese Arbeiten nicht so gründlich machen, wie ich es gern getan hätte, weil die Zeit knapp wurde. Ich wußte nicht genau, wie lange ich brauchen würde, ihn loszuwerden, und außerdem fürchtete ich das Einsetzen der Totenstarre, die mir meine Aufgabe sehr erschwert hätte. Nachdem ich ihn also zu meiner Zufriedenheit zurechtgemacht hatte, holte ich ein langes Leintuch und ein paar elastische Verbände und packte ihn gut ein, wobei ich ihn an den Stellen, an denen die Verbände ihm ins Fleisch schneiden oder Druckstellen hinterlassen könnten, schön mit Watte polsterte.
    Jetzt kam der wirklich knifflige Teil. Ich hatte mir bereits überlegt, daß ich ihn nur übers Dach aus dem Haus schaffen konnte. Bei diesem nassen Wetter durch den Garten hinterm Haus zu gehen, hätte verheerende Spuren hinterlassen. Und einen Toten mitten in der Nacht durch die Vorortstraßen zu schleppen, erschien mir nicht ratsam. Auf dem Dach aber war der Regen, der mich am Boden verraten hätte, mein Freund. Um aufs Dach zu gelangen, mußte ich mein Bündel zuerst durchs Haus tragen, am Zimmer der Dienstboten vorbei, und es durch die Falltür der Rumpelkammer hinausheben. Wäre es nur darum gegangen, selbst so leise wie möglich nach oben zu kommen, hätte ich nicht zu fürchten brauchen, das Personal zu wecken, aber unter einer schweren Last war das nicht so einfach. Möglich war es schon, vorausgesetzt, mein Diener und seine Frau lagen im tiefen Schlaf, andernfalls aber wären die schweren Schritte auf der schmalen Treppe und das Öffnen der Falltür nur allzu deutlich hörbar gewesen. Ich schlich also leise die Treppe hinauf und lauschte an ihrer Tür. Zu meinem Widerwillen hörte ich den Mann jedoch einen Grunzer von sich geben und etwas brummeln, während er sich im Bett umdrehte. Ich sah auf die Uhr. Meine Vorbereitungen hatten insgesamt fast eine Stunde in Anspruch genommen, und ich wagte nicht zu spät aufs Dach zu kommen. Also beschloß ich, einen kühnen Schritt zu wagen und mir gewissermaßen mit einem Bluff ein Alibi zu verschaffen. Ich ging also, des Lärms nicht achtend, ins Badezimmer, drehte den Heiß- und Kaltwasserhahn voll auf und zog den Stöpsel heraus.
    Mein Hauspersonal hatte schon öfter Anlaß gehabt, sich über meine Baderei zu allen Nachtstunden zu beklagen. Schon das normale Wasserrauschen hätte jeden im Haus aufgeweckt, der auf der Seite zur Prince of
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