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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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verheiratet sei Herr Ossianowski nie gewesen.
    Nein, Männerbekanntschaften habe er wohl keine gehabt, aber… Ja, etwas schrullig sei er schon gewesen.
    Nein, einer Sekte habe er ihres Wissens nicht angehört; er sei wohl überhaupt nicht religiös gewesen.
    Ja, das Zimmer, in dem er jetzt liege, habe seit Jahren leergestanden.
    Nein, in ärztlicher Behandlung sei Herr Ossianowski nie gewesen, auch beim Psychiater nicht.
    Nein, die Pistole habe er ihr nie gezeigt. Und da gebe es auch zwei Kellerräume, die sie nie habe betreten dürfen.
    Also, das verbitte sie sich aber! Wie käme sie als verheiratete Frau dazu, intime Beziehungen zu Herrn Ossianowski…
    Nein; sie wohne zwar gleich nebenan, habe aber gestern abend nichts bemerkt, was…
    Nein, von einem Testament wisse sie ebensowenig wie von einem Abschiedsbrief.
    Nein, Herr Ossianowski habe weder Geschwister noch Eltern oder sonstige Verwandte.
    Ja, er habe ganz und gar zurückgezogen gelebt. Sie könne es noch immer nicht fassen.
    Koch reichte ihr ein Tempotaschentuch, damit sie sich die Tränen trocknen konnte. Dann ließ er sich – fürchterlich korrekt – ihren Ausweis zeigen und notierte sich alle notwendigen Daten. Man konnte nie wissen.
    «Hatten Sie jemals den Eindruck, Frau… Frau Kriegshammer, daß er Selbstmord begehen könnte?» Dämlicher Name.
    «Nein!» kam es mit Bestimmtheit. «Mein Mann – der kannte ihn auch –, der sagte immer: Der Owi, der ist so froh wie der Mops im Paletot.»
    «Owi…?»
    «So nannten ihn doch alle – Otto-Wilhelm…»
    «Ah, ja.»
    Frau Kriegshammer war vorerst ausgepreßt, sie konnte gehen.
    «Sie müssen den Mörder finden, der das gemacht hat!» schluchzte sie.
    «Wenn Ihnen noch was einfällt…» Koch drückte ihr einen vorbereiteten Zettel mit seiner Telefonnummer in die Hand.
    Als sie abgegangen war und die Herren vom Erkennungsdienst noch immer nichts Wesentliches zu vermelden hatten, erinnerte Koch an die verschlossenen Kellerräume, von denen die Kriegshammer gesprochen hatte.
    «Du bist ein Genie», sagte Mannhardt und fügte pathetisch hinzu: «Was wird dieser Keller wohl für ‘n Geheimnis bergen?»
    «Vielleicht Martin Bormanns Leiche», vermutete Koch, der regelmäßig seine Illustrierte las.
    Mannhardt schickte zwei Mann in den Keller mit dem Auftrag, die Türen irgendwie aufzukriegen.
    Der erste Raum enthielt überraschenderweise eine der schönsten Modelleisenbahnen, die Mannhardt je gesehen hatte. Und er verstand was davon. Da gab es absolut vorbildgetreue Weichenstraßen, Bahnhöfe, Eselsrücken, Viadukte, Drehscheiben und Lokomotivschuppen. Vom Lichtsignal bis zum Oberleitungsmast – alles astrein. Für diese Anlage hätte Ossianowski bei jedem Wettbewerb den ersten Preis gewonnen. Mannhardt hätte sich am liebsten an eines der vielen Fahrpulte gesetzt und wäre losgefahren. Eine Unmenge von Lokomotiven und Triebfahrzeugen. Eine P3, eine P6, eine E91, eine SBB-Be 6/8III, hinten eine…
    Mein Gott!
    Jetzt erst sah Mannhardt, was mit der Anlage los war. Auf den Bahnhof der Ortschaft ‹Glücksheim› war eine vierstrahlige Düsenmaschine gestürzt – überall verkohlte Trümmer, Tote, Verletzte, Ärzte, Krankenwagen, Feuerwehrautos. Alles maßstabgetreu und beklemmend realistisch. Und kurz vor der Tunneleinfahrt war ein TEE in einen Personenzug gerast. Zerfetzte, aufgeschlitzte Wagen, umgestürzte Lokomotiven, Rettungsfahrzeuge – ein Chaos. Schrecklich. Hinten am Fluß schleifte ein Triebwagen einen vollbesetzten Pkw über die Schienen; die Schranken waren nicht geschlossen. Auf dem Güterbahnhof wurde ein Eisenbahner zwischen den Puffern zweier Kesselwagen zerquetscht.
    «Fehlt nur noch das Tonband mit den Schreien der Sterbenden», murmelte Koch.
    Mannhardt war wie vor den Kopf geschlagen. Sadismus? Menschenhaß? Irrsinn? War dieser Ossianowski ein verhinderter Nero gewesen? Er wandte sich ab. Der Anblick dieses sauber gebastelten Modells einer Massenschlachtung war unerträglich.
    Rechts vom vergitterten Fenster hing ein Wandregal mit etwa zwei Dutzend Fächern, wie man es in den Poststellen von Behörden und Industriebetrieben findet. Wahrscheinlich hatte es Ossianowski bei irgendeiner Entrümpelungsaktion abgestaubt. Am obersten Querbrett war ein längliches Pappschild befestigt, auf dem in flammender Schrift zu lesen stand:
     
    DIE GRÖSSTEN KATASTROPHEN DER MENSCHHEIT.
    Die einzelnen Fächer waren säuberlich beschriftet: Flugzeugabstürze – Schiffsuntergänge – Eisenbahnunfälle
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