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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Tiefehorn vorbei konnte man weit drüben einen hellen Sandstreifen erkennen – das Strandbad Wannsee.
    Die Nr. 185 war ein weißgekalktes, zweistöckiges Spielzeughäuschen, eingerahmt von Birken, Kiefern und Trauerweiden. Mit Grundstück gut und gerne seine 300000 Mark wert. Das mußte der Mann geerbt haben, so was bekam man mit keinem Bausparvertrag zusammen. Jedenfalls war er tot. Reichtum schützte vorm Sterben nicht – welch schöner Trost.
    Etwa zwanzig Leute standen vor dem länglichen Grundstück, dazu ein Haufen Kinder. Mal ein Tatort richtig live und ein Toter, den man kannte. Nur gut, daß es einen selber nicht erwischt hatte. Na ja, schließlich führte man ja auch ein anständiges Leben und hatte noch alle Tassen im Schrank.
    Der Kollege Streifenbeamte, der sich vor dem Tor aufgebaut hatte, hielt sie für Pressefritzen und machte Sperenzien. Koch hielt ihm seine Marke unter die Nase, und der Mann machte plötzlich auf devot; konnte ja sein, daß sie einen Draht zu seinem Vorgesetzten hatten. «Die Herren von der Spurensicherung sind schon da…»
    «Danke.» Mannhardt kam sich plötzlich wichtig vor und lächelte sogar. Na und? Was sprach dagegen, daß er diesen Auftritt genoß?
    Sie kamen in den Windfang; zwei Kollegen begrüßten Mannhardt gleichzeitig. Vorn im Wohnzimmer blitzte es, in der Diele schrillte das Telefon, auf der Terrasse klapperten die Männer mit dem Blechsarg, einer von der Spurensicherung betupfte die Türklinke mit weißlichem Pulver, irgendwo unten auf der Havel tutete ein Dampfer, in der Küche knallte ein Fenster zu, im Garten bellte ein Hund; Koch drückte auf einen Schalter, und in der Diele flammte eine 100-Watt-Birne auf, die in einem Totenschädel montiert war… Ein Dutzend Reize auf einmal, aber Mannhardt genoß es. Das putschte auf, das pustete seine düsteren Gedanken hinweg. Für Augenblicke wenigstens.
    Es roch muffig hier, nach faulenden Kartoffeln und nach Altersheim. Überall Trödel. Neben der Toilettentür eine Schaufensterpuppe im eleganten Cocktailkleid. In ihrem ausgehöhlten rechten Auge steckte der Kellerschlüssel.
    War er immer noch betrunken?
    «Plemmi-plemmi, was?» fragte Koch.
    «Wer?»
    «Na, der hier.»
    Mannhardts Kopf war eine Buschtrommel, und irgendwer schlug darauf seine Nachricht: Alles nur Einbildung, alles nur Einbildung! Geisterbahn. Mausoleum. Krematorium. Irrenanstalt. Panoptikum. Alles zerfloß, sein Hirn löste sich auf wie ein Tropfen Tinte in einem Wasserglas.
    «Was ist denn?» Koch stützte ihn.
    «Nichts!» Mannhardt stieß ihn zur Seite. «Ich bin hier auf diesem Scheißteppich ausgerutscht.»
    Es ging wieder. Es mußte gehen… Nie wieder Alkohol! Vor zwanzig Jahren hätte er nach solcher Nacht noch Bäume ausreißen können, aber jetzt… Und dann so was Blödes hier!
    Koch bahnte ihm den Weg durch die Diele, und endlich konnte er einen Blick in das Zimmer werfen, in dem der Tote lag.
    Ein verrücktes Bühnenbild.
    Kreideweiße Wände, und alles voller Blumen. Sträuße über Sträuße; Hunderte von Nelken wohl, Rosen, Gladiolen und wie das Zeug noch hieß. Jetzt schlug ihnen süßlich-tropischer Duft entgegen.
    Auf dem gewachsten Parkett ein rothaariges Männchen in einem viel zu knappen Smoking. Ein Clown mit einem Loch im Kopf.
    Um ihn herum ein See aus Blut und Cognac.
    Ein umgestürzter Stuhl, eine ausgelaufene Flasche und ein hoher, sehr stabiler Tisch.
    An dem Tisch war ein Schraubstock befestigt, und in den Schraubstock war eine 9 mm-Parabellum eingespannt, eine Walther P 38, den Lauf nach oben geneigt. Ihr Abzug war durchbohrt, und in der Öffnung steckte das eine Ende eines dünnen Bindfadens. Das andere Ende hielt der Tote noch in der rechten Hand.
    Absurd!
    Er hatte alles hergerichtet und dann an der Strippe gezogen. Ein häßlicher Gnom, bucklig wohl, ein besserer Liliputaner.
    Mannhardt regte sich nicht. In seinem Kopf tönte es blödsinnigerweise von einem Endlosband: Ich hab ja vieles schon erlebt, aber so etwas noch nicht, aber so etwas noch nicht… Wenn er diesen Gnom noch länger anstarrte, dann war er bald genauso verrückt.
    «Plemmi-plemmi», wiederholte Koch.
    Mein Gott, auch noch dieser schwachsinnige Koch mit seinem Hinterhofslang!
    «Was war denn der?» fragte Mannhardt nach hinten zu seinen Kollegen. «Blumenbinder, Primgeiger, Varietekünstler – oder was?»
    «Keine Ahnung…»
    Die Smokingjacke klaffte auf und Mannhardt entdeckte eine Brieftasche. Er bückte sich und zog sie heraus. Zwei
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