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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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ihn zur Sau gemacht. Und noch 26 Jahre bis zur Pensionierung und vielleicht 30 oder 40, bis ihn der kühle Rasen deckte. Der in Kladow, der hatte’s schon hinter sich.
    «Wir sollten los, sonst ist der Gute verwest, ehe wir da sind», sagte Koch.
    «Ja…» Mannhardt stand auf wie ein alter Mann. Opa Mannhardt. Statt der Kopfschmerztablette hätte er eine gegen Depressionen schlucken sollen. Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur. Bei Lichte besehen, ging’s mindest ‘ner Milliarde Menschen schlechter als ihm, wenn nicht noch mehr. Reiß dich am Riemen, Mannhardt! Er zog sein Jackett über und trat auf den Flur hinaus. Koch folgte ihm.
    Koch war dafür, daß sie in seinem VW fuhren. «Das erspart uns erstens den Kampf um den Dienstwagen, und zweitens kann ich bei der Abrechnung noch ein paar Pfennige rausschlagen.»
    «Meinetwegen», knurrte Mannhardt. Ihm war, als liefe er über ein Trampolin; er mußte sich einen Augenblick am Treppengeländer festhalten. Ausgerechnet heute! Er hätte sich so schön hinterm Schreibtisch erholen können – und nun das. Und auch noch in Kladow draußen!
    Koch fuhr zum Großen Stern hinauf und dann die Ost-West-Achse entlang – Straße des 17. Juni, Bismarckstraße, Kaiserdamm und Heerstraße. Er hatte gestern abend beim Baden im Halensee Marie-Louise kennengelernt, 22, MTA im Virchow-Krankenhaus und unheimlich scharf. Die Weichen waren gestellt, heute nacht konnte’s losgehen. Um 20 Uhr waren sie am Wittenbergplatz verabredet. Obwohl die Vorfreude in diesem Falle sicherlich nicht das Schönste war, genoß er sie und pfiff sein ganzes Schlagerrepertoire vor sich hin; von den Hamburger Nächten, die so lang waren, und vor allem und immer wieder: In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine…
    «Bei dir ist auch gleich Nacht», knurrte Mannhardt. «Dann hab ich nämlich meinen ersten Mord begangen.»
    «Mensch – hast du eine Laune heute!»
    Koch war ein bißchen eingeschnappt, erzählte aber nichtsdestoweniger, was Mary-Lou für ‘ne Figur hatte, wie braun sie war und daß sie verdammt gut Federball spielen konnte. Für ihn was ungeheuer Wichtiges.
    Mannhardt muffelte vor sich hin: «Man sollte dich kastrieren.»
    Sie überquerten die Havel; tief unten auf dem gleißenden Quecksilber des Stößensees, nur mit zusammengekniffenen Augen erkennbar, vier, fünf Segelboote. Die hatten’s gut! Von seinen paar Mark konnte er sich kein Segelboot leisten. Und wenn er eines gehabt hätte, dann bestimmt keine Bootsfahrt mitten in der Woche. Auf ihn wartete keine braungebrannte Schönheit mit einer Schildkrötensuppe, unten in der Kombüse gekocht; auf ihn wartete ein Mann mit einer Kugel im Kopf und x Litern Blut um sich herum, geronnen.
    Hinter Picheisdorf bogen sie links in die Gatower Straße ein und fuhren mehrere Kilometer nach Süden, mal dichter an der Havel entlang, mal weiter landeinwärts. Hin und wieder gaben Bäume und Häuser den Blick frei auf die Hügel am anderen Ufer, auf die Kiefern, auf den backsteinroten Grunewaldturm. Picheiswerder hatten sie passiert, bis Sakrow war’s nicht mehr weit, aber schon DDR. Das war ‘n Tag für Fontane gewesen! Ich hielt es früher mit Wieland und Herder, jetzt bin ich für Sakrow und Picheiswerder … Aber dies war keine Landpartie im Kremser, sondern eine Dienstfahrt im klapprigen VW, und am Ende wartete kein fröhliches Picknick, sondern eine langsam erstarrende Leiche.
    Dann erreichten sie Kladow, und Koch hatte einige Schwierigkeiten, den Gößweinsteiner Gang zu finden, was er damit entschuldigte, in dieser Gegend noch keine Freundin gehabt zu haben.
    «Ich weiß auch nur, daß Balthasar Neumann in Gößweinstein ‘ne berühmte Kirche gebaut hat, mehr weiß ich auch nicht.»
    «Ich weiß nicht mal, wer Balthasar Neumann war.»
    Da Koch seinen Stadtplan im Büro vergessen hatte, fragten sie einen freundlichen älteren Herrn, der gerade seinen Dobermann spazierenführte. Es stellte sich heraus, daß das ihr behördlicher Büromöbellieferant war. So ‘n Zufall! Aber so wurden sie wenigstens eingehend informiert.
    «Gößweinsteiner Gang…? Da ist gerade jemand ermordet worden, da kommen Sie zu spät, Herr Kommissar.»
    «Wo ist es denn nun?»
    «Da wo die ganzen Leute rumstehen – dritte Querstraße links, dann fast bis zum Wasser runter…»
    «Danke.»
    Eine schöne Gegend. Ein leichter Hang, Blick aufs schimmernde Wasser, auf einige Inseln, Kälber-Werder, Schwanenwerder, die Pfaueninsel. Am Großen
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