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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan
Autoren: Jeffrey Deaver
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erkannte an ihrem Blick, dass diese Frau sich nichts vormachen ließ, und sagte: »Ach, scheiß drauf.« Und sie berichtete der Sozialarbeiterin in allen Details, wie es möglich war, dass ein halbwüchsiges Mädchen fünfunddreißigtausend Dollar im Jahr verdiente.
    Am nächsten Tag wurde Junie in ein Waisenhaus im Norden des Landes gebracht. Der West Side Club bildete die Schlagzeile in der Abendausgabe der
Post.
Obwohl ein richtiger Gentleman ein solches Revolverblatt keines Blickes würdigte, machte Ralph Dudley in diesem Fall eine Ausnahme, zumal die
Times
frühestens morgen darüber berichten würde. Er saß jetzt in seinem Büro, und das einzige Licht kam von der verbeulten Schreibtischlampe und der bleichen Dezembersonne. Dudley starrte auf den Artikel, den er bereits viermal gelesen hatte.
    Wie alle Abhängigen hatte Dudley nicht nur eine körperliche, sondern auch eine emotionale Beziehung zu seiner Sucht, und als er auf das Foto blickte, das Polizisten zeigte, welche die Frauen aus dem Haus abführten, in dem er so viele Stunden verbracht und so viele tausend Dollar gelassen hatte, überkam ihn das Gefühl, einen alten Freund verloren zu haben.
    Er fragte sich zum x-ten Mal, ob Junie seinen Namen nennen würde oder das vielleicht schon getan hatte. Sie hatte es in der Hand, nicht nur seine ohnehin schon wacklige Karriere zu zerstören, sondern ihn auch noch für den Rest seines Lebens ins Gefängnis zu bringen.
    Er trank kleine Schlucke Kaffee aus seiner Porzellantasse und überdachte dabei mit erstaunlicher Ruhe seine Möglichkeiten. Er wog sorgfältig ab, was ihn wohl erwartete, und kam endlich zu dem Schluss, dass ihm keine Gefahr drohte. Junie würde ihn nicht verraten. Obwohl sie in ihrem Leben viel mitgemacht hatte, oft missbraucht worden war und auch über die gefährliche Unberechenbarkeit derjenigen verfügte, die vor dem Erwachsensein gelernt hatten zu überleben, besaß sie doch auch so etwas wie ein Gerechtigkeitsgefühl. Und gerade dieses gehörte zu den Dingen, aufgrund deren er sich zu ihr hingezogen gefühlt hatte. Darüber hinaus glaubte er fest, dass sie ihn wirklich liebte, wenn auch auf ihre komplizierte und verdrehte Art.
    Ralph Dudley war wieder einmal mit heiler Haut davongekommen, und er verspürte das dringende Bedürfnis zu weinen.
    Auf seinem Kalender standen für heute keine Termine mehr. In einer Stunde musste er lediglich an einer Cocktailparty im New York State Ballet teilnehmen – Hubbard, White & Willis gehörte zu den Fördermitgliedern. Viele potenzielle Klienten würden dort sein. Er hätte am liebsten abgesagt, entschied sich dann aber dafür, doch hinzugehen, denn er würde es nicht ertragen, heute Abend allein zu Hause zu sitzen.
    Dudley betrachtete sein modernes schwarzes Telefon. Es besaß eine Reihe von Zieltasten zum Abruf gespeicherter Nummern. Bis vor ein paar Tagen hatte er nicht mal gewusst, wie man dieses Ding benutzte, obwohl die neuen Apparate schon vor drei Jahren installiert worden waren. Kürzlich hatte er die Nummer von Amanda Wilcox eingespeichert. Ihr Name stand in winzigen Buchstaben auf dem kleinen Schild über dem Knopf. Er fragte sich, ob sie auch zu der Cocktailparty kommen würde. Hatten sie irgendwann darüber gesprochen? Er konnte sich nicht mehr erinnern.
    Dudley nahm den Hörer ab und drückte auf den Knopf. Während er die rasche Abfolge von fast an Musik erinnernden hellen Tönen vernahm, wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung hatte, was er zu Amanda sagen sollte. Nicht die geringste.
    Unterschiede.
    Taylor dachte über einen großen Unterschied nach, der zwischen ihr und Mitchell Reece bestand. Er konnte gewinnen und war mit dem Sieg allein schon vollkommen zufrieden. Taylor hingegen brauchte das anerkennende Lächeln des Geschlagenen, das ihr sagte: Alles ist in Ordnung. Du hast das Richtige getan. Ich vergebe dir. Zu gewinnen erfüllte Mitchell mit Stolz, aber nicht mit Ekstase. Und er verspürte auch nie Hass gegen den Besiegten. Ihn drängte es nicht danach, den anderen vollkommen zu vernichten. Er errang den Sieg, war damit zufrieden und setzte sein Leben fort. Taylor hingegen musste nach dem Erfolg das Eingeständnis des Unterlegenen erfahren oder aber auch noch die Seelen der Besiegten auslöschen.
    Sie würde niemals die Kunst der Machtausübung beherrschen. Wendall Clayton war ihretwegen gestorben. Thom Sebastian hatte sich ihr in seinem schwächsten Moment gezeigt. Und Ralph Dudley hatte sie zutiefst beschämt. So übte man
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