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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall
Autoren: Pearson Mary E.
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mir ausnahmsweise mal so richtig gutgehen. Einen Tag lang. Das wird man sich ja wohl noch wünschen dürfen, oder?
    »Vielleicht …« Ich hebe den Kopf. Mr Nestor ist verschwunden. Ich springe auf und drehe mich einmal um mich selber. Spurlos verschwunden. Ich habe ihn eben doch richtig eingeschätzt. Ein unverschämter Trampel! Er hat nicht mal meine Antwort abgewartet. Integralrechnung … ha! Ich bücke mich und greife mir eine Handvoll Kies. »Dann rechnen Sie doch mal das hier aus!«, brülle ich und schmeiße den Kies, so weit ich kann. Der leere Park schluckt mein Wutgebrüll und das Kiesgeprassel, es kehrt wieder Stille ein. Ich wische mir die schmutzige Hand an der Schuluniform ab.
    Ich habe mich umsonst aufgeregt. Aber es hat ja keiner mitgekriegt. Seufzend schüttle ich den Kopf. Das lästige Zittern ist verflogen. Ich gehe den gleichen Weg wieder zurück. Inzwischen ist Staatsbürgerkunde schon halb um, und das alles nur wegen eines wolkenlosen Himmels, der für niemanden außer für mich irgendeine Bedeutung hat, und wegen eines aufdringlichen Lehrers, der nicht mal den Anstand hatte, meine Antwort auf seine bescheuerte Frage abzuwarten. Aber ich bin selber schuld – warum bin ich auch vom vorgeschriebenen Tagesablauf abgewichen.
    Ich biege um die Ecke und bleibe verblüfft stehen. Keine zehn Meter vor mir hat jemand sein Auto unter einer mächtigen Fichte abgestellt. Mitten auf dem Rasen. Ich kenne mich mit Automarken nicht aus. Dieses Modell hier ist sehr lang und blassrosa. Das weiße Lederverdeck ist hochgeklappt. Ein ungewöhnliches Fahrzeug, aber es gefällt mir. Ich könnte mir vorstellen, irgendwann so eins zu besitzen. Aber ich habe diesen auffälligen Schlitten noch nie in Hedgebrook gesehen. Unsere Lehrer fahren alle unauffällige, praktische Autos, und sie parken schon gar nicht mitten auf dem Rasen. Die Fahrertür steht weit offen, der Motor läuft. Wer macht denn so was? Wenn das der Direktor sieht …
    Ich gehe hin und streichle den seidig glatten Kotflügel. Mein Blick fällt auf die Reifen. Altmodische Reifen, außen weiß. Die beiden mir zugewandten scheinen nagelneu zu sein, praktisch ungefahren. Ich bücke mich und betrachte mein Spiegelbild in der blanken, gewölbten Radkappe. Die Umgebung hinter mir ist verzerrt, mein eigenes Spiegelbild seltsamerweise nicht.
    Ich richte mich wieder auf. Ziemlich leichtsinnig, ein Auto offen und mit laufendem Motor hier abzustellen. Da könnte doch jeder einsteigen. Kaum bin ich ein paar Schritte weitergegangen, bleibe ich plötzlich stehen, weil mir ein Gedanke gekommen ist. Bestimmt gehört das Auto diesem Mistkerl. Das sähe ihm ähnlich, sein Auto mit laufendem Motor mitten auf dem Rasen abzustellen! Dabei ist er Lehrer – schönes Vorbild! Schon wieder kocht die Wut in mir hoch. Ich stapfe die Treppe zum Innenhof hinauf. Geschieht ihm ganz recht, wenn jemand mit der Kiste abhaut. Geschieht ihm ganz recht, wenn …
    Ich fahre herum. Das Auto steht immer noch mit schnurrendem Motor unter den Bäumen. Die vier nagelneuen Reifen sehnen sich danach, endlich richtig Bekanntschaft mit dem Asphalt machen zu dürfen. Leider ist meine Fahrpraxis gleich null. Ich bin grade erst siebzehn geworden und hatte im Leben noch keine einzige Fahrstunde. Um solchen Kleinkram kümmern sich meine Eltern nicht. Im Gegensatz zu vielen meiner Mitschüler habe ich noch nie am Steuer gesessen …
    Seth! Ich nehme zwei Stufen auf einmal. Mira hat doch erzählt, dass er zu Hause ein eigenes Auto hat. Das heißt, er kann fahren. Und er latscht bestimmt noch irgendwo über das Schulgelände, sammelt Abfall auf und ist sauer wegen der ungerechten Strafe. Er hat eine Pause verdient, finde ich. Ich bleibe stehen und lasse den Blick über den Hof wandern. Das einzige halbwegs menschenähnliche Wesen ist das hässliche Denkmal von Argus Hedgebrook, eine total misslungene Auftragsarbeit und Zielscheibe sämtlicher Schülerstreiche. Argus streckt den Bronzearm so verkrampft aus, als hätte er Angst, von seinem Sockel zu stürzen, dabei soll es natürlich eine einladende Geste darstellen. Mist. Timing ist alles. Seth ist nirgends zu sehen, und der hässliche Argus ist auch keine Hilfe.
    Ich lasse den Blick über die drei anderen Gebäude und ihre unmittelbare Umgebung wandern, dann kommt das Verwaltungsgebäude an die Reihe, in dem die Schulleitung sitzt. Kein Seth, nirgendwo Abfall, und auch sonst niemand, den ich als Fahrer anheuern könnte. War doch klar. Der heutige Tag
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