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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall
Autoren: Pearson Mary E.
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meine Kommode unter die Unterwäsche. Ich schaute mir die Bilder nie wieder an.
    Als Mr Anwalter kurz darauf anrief und wissen wollte, was ich von Hedgebrook hielt, seufzte ich hörbar und sagte: »Von mir aus.« Als ich auflegte, spürte ich das Flattern wieder. Da war ich sicher, dass sich in meiner Brust etwas gelöst hatte.

6
    Mira ist damit beschäftigt, sich immer neue Namen für unsere Unternehmung auszudenken, wir anderen einigen uns über das Ziel der Fahrt. Der nächste Ort ist das Städtchen Hedgebrook. Bis dahin sind es nur ein paar Meilen. Aidan schlägt vor, dort ins Kino zu gehen, weil uns dann niemand erwischen kann. Seth ist dagegen. »Wir wollen doch Spaß haben! Im
Nubel
gibt’s bloß versiffte Sitze und Filme vom letzten Jahr.«
    »Wie wär’s mit ›Gesprengte Ketten‹? Das würde doch passen«, wirft Mira vom Rücksitz ein.
    »Nach Hedgebrook können wir sowieso nicht«, mische ich mich ein. »Wir können nicht mal durchfahren. Sheriff Horn läuft doch jeden Tag die Hauptstraße rauf und runter. Wenn der uns sieht, können wir einpacken.«
    Das gibt auch Aidan und Seth zu denken. Die Internatsschüler sind im ganzen Städtchen bekannt. Samstags fahren ganze Autokarawanen vom Internat dorthin. Man kann shoppen gehen oder ins Kino. Das Shoppen beschränkt sich allerdings auf Keller’s Drugstore, Bainbridge-Antiquitäten und einen Mini-Supermarkt, der extra für den wöchentlichen Überfall der Hedgebrook-Schülerinnen einen ganzen Gang mit billigem Modeschmuck eingerichtet hat. Der Sheriff hat sich jeden von uns schon mindestens ein Mal vorgeknöpft und verkündet, dass das Auge des Gesetzes alles sieht. Im Gegenzug machen die Schüler nach, wie er mit rausgedrückter Brust die Hauptstraße langstolziert, übrigens auch vor seiner Nase, denn wie die meisten Menschen erkennt sich der Sheriff selbst nicht wieder.
    »Oder wie wär’s mit ›Die MADS -Bande‹? Das sind unsere Anfangsbuchstaben!« Mira ist hörbar stolz auf ihren Scharfsinn.
    »Weiter als Hedgebrook kommen wir nur, wenn wir mitten durchfahren«, gibt Seth zu bedenken.
    Ich zucke die Achseln. »Dann lass uns wenden und in die andere Richtung fahren.«
    »Da kommt doch hundert Meilen lang gar nichts!«, protestiert Aidan.
    »In zwei Stunden ist man in Langdon. Und bis dahin sind es nur sechsundsiebzig Meilen«, kläre ich ihn auf. »Übrigens ist die Sechsundsiebzig …«
    »Klappe!«, fällt mir Aidan ins Wort. »Ich fahr nirgendwohin, wenn du uns nicht sofort mit deinem Zahlenhumbug verschonst.«
    »Was ist denn mit der Sechsundsiebzig?«, fragt Seth. »Mich interessiert das.«
    Ich funkle Aidan triumphierend an und wende mich Seth zu.
    »Heute ist der Neunzehnte. Sechsundsiebzig geteilt durch neunzehn ist vier … und wir sind vier Personen.«
    Seth lehnt sich zurück. Zum ersten Mal hört er mir richtig zu. »Wie hast du das so schnell ausgerechnet?«
    »Ach, da brauche ich nicht lange zu rechnen. Solche Übereinstimmungen fallen mir einfach auf.«
    »Des glaubt nämlich nicht an Zufälle«, sagt Aidan. »Andauernd kommt sie damit an, dass irgendeine Zahl eine besondere Bedeutung hat. Aber rein zufällig bin ich eine dieser vier Personen. Darum darf ich über meinen Anteil an der Fahrtstrecke bestimmen und zufällig bestimme ich, dass die nächsten neunzehn Meilen nicht mehr über abergläubischen Quatsch geredet wird.«
    »Was keineswegs zufällig ist, sondern eindeutig vorherzusehen war«, entgegne ich. »Aber okay. Jeder von uns darf über seine neunzehn Meilen bestimmen und …«
    Mira klatscht in die Hände. »›Der Schulausflug‹! Kurz, einprägsam und zutreffend, oder?«
    »Super, Mira«, sage ich über die Schulter. »Übrigens sind die ersten neunzehn Meilen
meine
, Aidan.«
    Seth sieht mich von der Seite an, sieht mich ein bisschen zu lange an, dann dreht er den Zündschlüssel um. Ich habe den Eindruck, dass mir sein Blick etwas sagen sollte, aber was? Ob er mich auch für eine Spinnerin hält wie Aidan?
    Dabei bin ich gar nicht abergläubisch, was Zahlenübereinstimmungen angeht. Mathe ist sogar mein schlechtestes Fach. Ich bin auch keine Autistin mit einer Inselbegabung im Rechnen oder so, falls Seth das vermutet. Ich habe einfach nur reichlich Gelegenheit, über solche Dinge nachzudenken, und ich nutze diese Gelegenheit. Es hilft mir durchzuhalten. Schon in den letzten beiden Internaten. Mit zwölf haben sie mich nach Parton Manor geschickt. Die Schule liegt in Georgia und sollte einen beruhigenden Einfluss
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