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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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Möglichkeit, wie ihr entscheiden könnt.«
    »Ja«, sagte Colin und hob den Kopf.
    »Ja«, sagte Frances.
    »Also dann. Und jetzt schlagt euch das andere aus dem Kopf. Sofort.«
    »Einmal ein Sechziger-Jahre-Haushalt, immer ein Sechziger-Jahre-Haushalt, was?«, sagte Colin. »Nein, das kleine
aperçu
ist nicht von mir, es ist von Sophie. Sie findet das alles nett. Ich habe ihr klargemacht, dass die Arbeit nicht an ihr hängen bleiben würde. Aber sie will mit anpacken – überall, hat sie gesagt.« Er lachte.
    Als sie wieder im Bett lagen, sagte Rupert: »Ich glaube, ich könnte es nicht ertragen, wenn du stirbst. Aber glücklicherweise leben Frauen länger als Männer.«
    »Und ich kann mir nicht vorstellen, ohne dich zu sein.«
    Das war das Äußerste, was die beiden Wort-Menschen einander eingestanden hatten. »Wir kommen doch ganz gut klar, was?«, war normalerweise die Grenze. Es braucht einen gewissen Wagemut, so wenig auf die eigene Zeit abgestimmt zu sein: ein Mann und eine Frau, die es wagen, sich so voll und ganz zu lieben – das konnte man kaum gestehen, nicht einmal einander.
    Jetzt sagte er: »Was sollte das mit den Kätzchen?«
    »Ich habe keine Ahnung. In diesem Haus kam das nie vor, und sicher nicht in seiner Schule. In progressiven Schulen werden keine Kätzchen ertränkt. Jedenfalls nicht so, dass die Schüler es sehen.«
    »Wo es auch passiert ist, es sitzt tief.«
    »Und er hat es noch nie erwähnt.«
    »Als ich ein Junge war, habe ich gesehen, wie eine Bande Kinder einen kranken Hund gequält hat. Dadurch habe ich mehr über die Natur der Welt gelernt als durch alles andere.«
     
    Der Unterricht begann. Rupert gab Clever und Zebedee Nachhilfe in Mathe. Er sagte, abgesehen davon, dass sie ihre Multiplikationstabellen kannten, hätten sie keine Ahnung, aber sie seien so schnell, dass sie ihren Rückstand bald aufholen würden. Frances stellte fest, dass sie eine außergewöhnliche Auswahl gelesen hatten: Sie kannten ganze Passagen aus
Mogli
und Enid Blyton und
Farm der Tiere
und Thomas Hardy auswendig, aber von Shakespeare hatten sie noch nie etwas gehört. Sie schlug vor, diese Lücke zu schließen, sie lasen ohnehin alles, was in den Regalen im Wohnzimmer stand. Colin leistete Nachhilfe in Geografie und Geschichte. Sylvias kleiner Atlas hatte gute Dienste geleistet, das Wissen der Jungen über die Welt war weit, wenn auch nicht tief; was Geschichte anging, so wussten sie nicht viel, nur etwas über die
Päpste der Renaissance
 – aus einem Buch, das in Pater McGuires Regal gestanden hatte. Sophie ging mit ihnen ins Theater. Schließlich fing William an, sie mit alten Lehrbüchern zu unterrichten, ohne dass man ihn darum gebeten hatte, und das tat ihnen wirklich gut.
    William sagte, ihr Übereifer gehe ihm auf die Nerven: Er selbst strenge sich schon an, aber im Vergleich zu ihnen … »Man könnte meinen, ihr Leben hinge davon ab«, und dann machte er im Stillen eine Entdeckung und fügte hinzu: »Wahrscheinlich hängt ihr Leben tatsächlich davon ab. Ich kann nämlich jederzeit hingehen und …« »Was denn?«, fragten die Erwachsenen und ergriffen schnell die Gelegenheit, einen Blick auf das zu erhaschen, was wirklich in seinem Kopf vorging. »Gärtner werden. Ich kann Gärtner in den Kew Gardens werden«, sagte William ernst. »Ja, das würde mir wirklich gefallen. Oder ich könnte sein wie Thoreau und allein leben, an einem See, und über die Natur schreiben.«
    Sylvia war ohne Testament gestorben, also würde ihr Vermögen an ihre Mutter gehen, sagten die Anwälte. Es war eine stattliche Summe, die für die Ausbildung der Jungen völlig ausgereicht hätte. Man wandte sich an Andrew, Phyllidas alten Freund, und als er nach oder durch London kam, besuchte er Phyllida, und es folgte dieses Gespräch:
    »Sylvia hätte gewollt, dass ihr Geld für die Ausbildung der beiden afrikanischen Jungen verwendet wird, die sie anscheinend adoptiert hatte.«
    »Ach ja, die schwarzen Jungen, ich habe von ihnen gehört.«
    »Ich bin hier, um dich offiziell zu bitten, auf dieses Geld zu verzichten, denn wir sind sicher, dass sie sich das gewünscht hätte.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mir irgendwas darüber gesagt hätte.«
    »Aber, Phyllida, das konnte sie doch nicht.«
    Phyllida warf den Kopf leicht zurück und lächelte kurz und triumphierend, aber auch belustigt, wie jemand, der sich über die Launen des Schicksals freut, weil er gerade in der Lotterie gewonnen hat. »Wer’s
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