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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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mit Pulten, einer Tafel und einem Lehrer, der Vorträge hielt.
    »Warum denn hier? Warum muss das bei uns sein?« Auf diese alltägliche Reaktion –
warum denn ich?
 – gibt es keine Antwort, nur den Appell an die erhabene Ungerechtigkeit des Universums.
    »Jemand muss sie aufnehmen«, sagte Frances.
    »Und außerdem ist Sylvia hier. Sie wird schon wissen, was zu tun ist. Ich finde auch, dass wir da nicht mithalten können«, sagte Colin.
    »Sie kann doch gar nicht hier sein! Wo soll sie bleiben? Wo soll sie schlafen?«
    Nicht nur Sylvias Gedanken waren vor Panik ganz verschwommen, weil sie unmöglich gleichzeitig in Somalia und in London sein konnte, auch die drei Erwachsenen waren in einem ähnlichen Zustand: William hatte recht.
    »Ach, wir schaffen das irgendwie«, sagte Frances.
    »Und wir alle müssen ihnen helfen«, sagte Colin.
    William wusste ganz genau, was das hieß: Wir erwarten, dass du ihnen hilfst. Sie waren jünger als er, und das machte es nur wahrscheinlicher, dass sie auf ihn angewiesen sein würden. »Wenn sie hier nicht zurechtkommen, gehen sie dann weg?«
    Colin sagte: »Wir können sie zurückschicken. Aber ich gehe davon aus, dass dann alle in ihrem Dorf an Aids gestorben sind oder daran sterben.«
    William wurde weiß. »Aids! Haben sie Aids?«
    »Nein. Laut Sylvia ist das unmöglich.«
    »Woher weiß sie das? Ja, gut, sie ist Ärztin, aber warum sieht sie dann so krank aus? Sie sieht grauenhaft aus.«
    »Sie wird sich wieder erholen. Die Jungen brauchen zuerst Nachhilfe, um alles aufzuholen, aber das schaffen sie ganz bestimmt.«
    »Sie können nicht Clever und Zebedee heißen, nicht hier. Mit solchen Namen werden sie fertiggemacht. Ich hoffe, sie kommen nicht in meine Schule.«
    »Wir können ihnen nicht einfach ihre richtigen Namen wegnehmen.«
    »Also, ich führe ihre Kämpfe nicht für sie.«
    Er müsse jetzt nach oben gehen, sagte William – er habe Hausaufgaben zu machen. Bevor er sich an seinen Schreibtisch setzte, würde er ein bisschen mit dem Baby spielen, wenn es wach war, das wussten sie. Er betete es an.
    Sylvia tauchte nicht wieder auf. Sie hatte sich mit ausgestreckten Armen an den Busen des alten roten Sofas geworfen und schlief sofort ein. Sie sank tief in die Vergangenheit, in Arme, die auf sie warteten.
    Rupert und Frances waren in ihrem Zimmer und zogen sich aus, als Colin hereinkam und sagte, er habe nach Sylvia gesehen und sie schlafe wie tot. Später, gegen vier Uhr morgens, wurde Frances wach und schlich nach unten; als sie zurückkam, erzählte sie Rupert, der ebenfalls aufgewacht war, dass Sylvia schlafe wie eine Tote. Sie wollte gerade ins Bett schlüpfen, als sie plötzlich hörte, was sie gesagt hatte, und sie dachte an das, was Colin gesagt hatte. »Das gefällt mir nicht«, sagte sie. »Da stimmt etwas nicht.« Rupert und Frances gingen nach unten in das Wohnzimmer, wo Sylvia tatsächlich wie eine Tote schlief: Sie war tot.
     
    Die Jungen lagen auf ihren Betten und weinten. Frances wollte sie instinktiv in die Arme nehmen, aber die älteste aller Hemmungen hielt sie zurück: Es waren nicht ihre Arme, die sie wollten. Als der Tag sich hinzog und das Weinen nicht aufhörte, ging sie mit Colin in das kleine Zimmer, und sie richtete Clever auf und er Zebedee, sie setzten sich zu ihnen und hielten sie fest und wiegten sie und sagten, sie müssten aufhören zu weinen, sie würden krank werden, sie müssten nach unten kommen und etwas Heißes trinken, und niemand habe etwas dagegen, dass sie traurig seien.
    Die ersten schlimmen Tage waren überstanden, und dann kam die Beerdigung mit Clever und Zebedee an vorderster Stelle als Trauernde. Man versuchte die Mission anzurufen, aber eine Stimme, die die Jungen nicht kannten, sagte, Pater McGuire habe all seine Sachen mitgenommen und der neue Rektor sei noch nicht da. Man hinterließ eine Nachricht. Schwester Molly, der man auch eine Nachricht hinterlassen hatte, rief sofort zurück und klang laut und klar, obwohl sie am Ende der Welt war. Sie sagte: »Und jetzt überlegen Sie vermutlich, was mit den Jungen geschehen soll?« Sie glaubte, dass in der alten Mission, wo die Aids-Waisen versorgt wurden, wahrscheinlich Arbeit für sie zu finden wäre. Als der Priester zurückrief, war die Verbindung so schlecht, dass man nur mit Unterbrechungen ausmachen konnte, wie betroffen er wegen Sylvia war: »Arme Seele, sie musste sich einfach ins Grab arbeiten.« Und: »Wenn Sie für sich einen Weg sehen, die Jungen zu behalten,
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