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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund
Autoren: Heinrich Steinfest
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aufsteigenden Dampf des eigenen Körpers und ging nach draußen.
    Der Hauptraum zeichnete sich durch eine kühle Eleganz aus, die im Rahmen des Gemütlichen blieb. Was vor allem für die kompakten Stühle aus hellem Leder galt, in denen die Gäste nicht bloß hübsch, sondern auch friedfertig aussahen. Erst jetzt fiel Mortensen auf, daß die langgestreckte, von zwei Pfeilern unterbrochene Auslagenseite aus Scheiben bestand, die sich abwechselnd aus Fenster- und Milchglas zusammensetzten. Ein Prinzip, das an den Wänden des Raums fortgesetzt wurde, nur daß hier die alternierenden Balken in einmal glattem und dann wieder angerauhtem Spiegelglas geordnet waren. Weshalb man an diesem Ort ein Gefühl permanenter Gebrochenheit entwickelte. Was allerdings nicht für den Bereich der Bar galt, die völlig ohne Streifen auskam.
    Gegen die Theke eben dieser Bar gelehnt, stand der Dunkelblaue und unterhielt sich mit einem Mann, der zwar einen silbergrauen Anzug trug, aber die gleiche dunkelblaue Ausstrahlung besaß. Die beiden paßten gut ins Ambiente, fand Mortensen, der sich selbst für deplaziert hielt und aufzufallen meinte. Was nicht der Fall war. Tilanders Bar mochte schick anmuten, die Gäste brauchten es nicht zu sein. Mortensen hätte schon Radau schlagen müssen, um sich Aversion und Ablehnung einzuhandeln. Nun, das war das letzte, was er vorhatte.
    Er stellte sich in einigen Metern Entfernung zum Dunkelblauen und seinem silbergrauen Freund an den Tresen und drückte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Der aufmerksame Barkeeper hielt ihm die Flamme eines Feuerzeugs entgegen. Mortensen sog einen ersten Schwall Rauch ein, den er tief inhalierte, einen Moment wie eine steckengebliebene Münze stehenließ, um ihn sodann wieder aus sich herauszublasen. Er dankte dem Mann hinter der Theke und bestellte ein Glas Aquavit. Eigentlich hätte er lieber ein Bier gehabt, meinte aber, es würde besser aussehen, ein kleingläsriges Getränk zu nehmen. Warum das denn nun? Der Dunkelblaue hatte auf jeden Fall sein Bier.
    Und der Dunkelblaue schien auch seinen Spaß zu haben. Sein Lachen war auffälliger als der Rest an ihm. Es war eigentlich das Lachen eines viel älteren Mannes. Vielleicht, weil seine Lustigkeit wie die Reaktion auf einen von diesen derben Witzen klang, wie sie beinahe nur von Männern geschätzt werden, die jegliche Jugend hinter sich haben. Witze sind etwas für Kinder und ältere Männer. Auch Mortensen hatte in den letzten Jahren begonnen, sich Witze zunächst anzuhören, dann sie sich zu merken und schließlich – zu allem Überfluß – sie auch noch vorzutragen. Er haßte das, verachtete weniger den Witz als die überfallsartige Penetranz des Witzeerzählens. Aber er konnte nichts dagegen tun. Die Witze bemächtigten sich seiner. Sie waren gekommen wie die Schmerzen in seinen Beinen.
    Er redete sich nun ein, daß die beträchtliche Amüsiertheit des Dunkelblauen darin begründet lag, daß dieser gerade von den drei Büchern erzählte, die er einer reinen Juxerei halber eingesteckt habe. Der kuriosen Einbände wegen. Oder auf Grund des Höhenangst-Kranführer-Widerspruchs. Oder auch nur, um einige der mißglücktesten Formulierungen herauszusuchen und in eine Sammlung sprachlichen Unfugs aufzunehmen.
    Darin bestand Mortensens Angst, die er auch bestätigt haben wollte. Er rückte ein weniger näher heran. Allerdings befanden sich zwischen ihm und dem Dunkelblauen weitere Gäste, einmal der Silbergraue, und dann auch noch zwei Frauen, die sich unterhielten. Als diese aber in ein kurzes Schweigen verfielen, konnte Mortensen die Stimme des Dunkelblauen klar vernehmen, welcher zwar nicht mehr lachte, sich aber noch immer im Zustand der Belustigung befand. Mortensen erfuhr nun, daß die Heiterkeit des Dunkelblauen der Dummheit eines Arbeitskollegen galt, der sich an die falsche Frau herangemacht hatte. An die Frau eines Vorgesetzten. Oder die Frau eines Geschäftsfreundes. Etwas in dieser Art also. Kein Witz, bloß eine Alltagsschnurre, über die man lachen konnte, wenn man sonst nichts zu lachen hatte und die beteiligten Personen kannte. Auf jeden Fall war keine Rede von Büchern. Schon gar nicht fiel der Name Mortensen.
    Er war erleichtert, aber auch irgendwie enttäuscht. Das war überhaupt seine häufigste Befindlichkeit, jene des Hin- und Hergerissenseins. Er nannte das gerne: Zufriedenheit, von Kummer durchlöchert.
    Er bestellte einen zweiten Aquavit. Und endlich auch ein Glas Bier. Der Barkeeper nickte
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