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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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braun gebrannt und voller Energie, eine lebenslustige, schöne Frau. Christa umarmt mich und gibt mir einen Kuss auf jede Wange.
    «Moin, Sönke.»
    Ocke schaut verzweifelt zur Decke.
    Nach unserer herzlichen Begrüßung wendet sie sich an Ocke: «Ich bin hier nicht die Putzfrau für alle!»
    Hinter mir höre ich Omas Stimme vom Badezimmer her: «Christa hört viel zu laut Entspannungsmusik! Ich hasse Entspannungsmusik, die macht mich ganz kribbelig.»
    Alles nicht viel anders als bei ihrem Enkel in Hamburg damals.
    Wir sollten in der Familie zusammenlegen und den dreien eine Geschirrspülmaschine und eine Putzfrau besorgen, notfalls auch bezahlen. Das schafft zwar keinen Frieden, aber vielleicht eine Art Waffenstillstand. Oma kann ja auch wirklich nicht mehr putzen, ihr Rücken macht das nicht mehr mit.
    Oma kommt mit Jacke und kurzen Hosen aus dem Bad zurück in die Küche. Ihre nackten Beine sind wie immer braun gebrannt.
    «Komm, du kennst meinen Lieblingsplatz noch nicht, Sönke.»
    «O.k.»
    Ich trinke schnell den Tee aus, und wir gehen zusammen hinaus.
     
    Der Seedeich ist nur wenige Meter entfernt. Oma hakt sich bei mir ein, als wir uns langsam, Schritt für Schritt, zur Deichkrone hochkämpfen. So fit wie früher ist sie wirklich nicht mehr.
    Es ist gerade Ebbe, und die Wolken spielen Fangen vor der Sonne, hektische Schatten huschen übers Land und über das Wasser. Oma steuert auf den weißen Strandkorb zu, der ungefähr fünfzig Meter rechts schief im Watt steht.
    «Vom letzten Sturm aus Utersum angespült», freut sich Oma. «Ein Traum, oder?»
    «Könnte der nicht sogar Arne gehören?», spekuliere ich.
    «Hier steht er jedenfalls richtig», findet Oma.
    «Hat es noch keinen Ärger deswegen gegeben?»
    «Na ja, Vogelwart Markus war hier und hat was von Nationalpark Wattenmeer und Weltkulturerbe gefaselt. Ich habe einfach mit meiner Signalpistole grob in seine Richtung geschossen, da war er weg.»
    «Du hast
was
? Wo hast du die her?»
    «Hat Ocke mir gegeben, zur Sicherheit, falls ich mal im Strandkorb einschlafe und die Flut kommt.»
    Wie damals vermutlich meine Eltern in meiner Studenten- WG frage ich mich: Ob das alles so richtig ist? Was soll aus Oma in dieser WG werden? Ist das der richtige Einfluss für sie?
    Innen ist der Strandkorb mit breit weiß-blau gestreiftem Stoff ausgeschlagen. Oma setzt sich hinein, und ich setze mich daneben. Ich muss schon zugeben, es hat was. Hier draußen ist es noch schöner als am Strand.
    Außerdem hat es etwas von Straßenboulevard, wenn die Touristenmassen bei Ebbe von Wattführern direkt an Omas Strandkorb vorbei nach Amrum geführt werden.
    «Meinst du nicht, Markus kommt wieder und transportiert den ab?»
    «Bitte rede mit ihm, ja? Ihr singt doch zusammen im Chor. Der Strandkorb hier draußen ist mein Traum.»
    «Ich werde es versuchen.»
    Wie ich Markus kenne, würde der sich eher einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, als diesen Strandkorb zu übersehen. Probieren werde ich es trotzdem.
    «Vielleicht brüten hier ja seltene Vögel im Schatten des Korbs, die unter Artenschutz stehen», überlegt Oma.
    «Um diese Zeit?»
    Sie fuchtelt aufgeregt mit den Händen in der Luft herum.
    «Das ist ja das Tragische! Die sind eben schon ein bisschen tüddelig. Deswegen müssen wir sie ja schützen.»
    Wenigstens hat sie ihren Humor nicht verloren.
    «Weißt du, Sönke, der soll sich nicht so haben. Ökologisch gesehen läuft auf Föhr seit Jahrhunderten sowieso alles schief», sagt sie.
    «Findest du?»
    «Jeder baut sich auf der Insel ein Haus, was einzeln mit Strom, Abwasser und allem erschlossen werden muss. Dazu kommt noch Heizung und so weiter. Die meisten Menschen denken, Grasdächer seien ökologisch. Aber mit oder ohne Grasdach, Einfamilienhäuser sind eine riesige Flächenverschwendung.»
    «Was wäre dein Vorschlag?»
    «Ein Hochhaus für die ganze Insel, vielleicht zwei. Man konzentriert alles auf einem Fleck, mit Zentralheizung, Geschäften, allem, was man braucht. Das würde nur ein Minimum an Grundfläche verbrauchen. Und der Rest der Insel bleibt reine Natur.
Dafür
sollten sich die Naturschützer engagieren. Alles andere ist Romantik und keine Ökologie.»
    Ich lache kurz auf.
    «Erzähl mal den Insulanern und auch den Touristen, dass sie ihre Reetdachhäuser abreißen und alle in ein Hochhaus ziehen sollen.»
    «In Dubai machen die das, ohne mit der Wimper zu zucken. Wär doch toll. Von ganz oben würdest du über alle nordfriesischen Inseln hinweg,
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