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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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geschlafen hat keiner.
    Früher hatten die Seeleute in Hamburg noch richtig Zeit für ausgedehnte Landgänge. Heute liegen sie nur noch zwanzig Stunden im Hafen und fahren dann weiter. Wir Insulaner hingegen hatten drei Tage Zeit, abends durch Hamburg zu ziehen. Und das haben wir so ausgiebig genutzt, dass wir alle dringend eine Kur gebrauchen könnten. Insofern liegen wir mit dem Kurs auf Föhr ganz richtig. Wo sich Zigtausende Touristen entspannen, sollte uns das auch gelingen.
     
    Maria und ich stehen in Pullover und Jacken eingemummelt an Deck. Auf der Backbordseite ist der Turm der Insel Neuwerk zu erkennen, Kapitän Petersen bringt die «Uthlande» mit einer sanften Drehung auf nördlichen Kurs.
    Ich schaue Maria an. Die Novembersonne spiegelt sich in ihrer Iris. Ich habe den größten Kloß im Hals, den ich je hatte.
    Wie sage ich das, was ich sagen will, ohne zu kitschig oder zu cool zu wirken? Mir fehlt komplett die Sprache dafür.
    «Mmh», murmele ich und schweige wieder. Es kommt einfach nicht raus.
    Maria fragt seltsamerweise gar nicht nach, was ich sagen wollte.
    Dann passiert ein Wunder.
    «Ob ich dich heiraten würde?», fragt sie mich. Nur Frauen besitzen diese Intuition.
    «Ja», sage ich mit belegten Stimmbändern.
    «Dann aber sofort», schlägt sie vor, und dann liegen wir uns in den Armen.
     
    Kapitän Petersen und sein Steuermann schauen uns abweisend an, als wir die Brücke betreten. Fachfremde Personen sehen sie hier ungerne.
    «Petersen, du bist doch Kapitän, kannst du uns trauen?», frage ich ganz direkt.
    «Würde ich gerne tun», freut er sich und lächelt entschuldigend, «aber das gilt dann nicht. Wir müssten außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone sein.»
    «Und nun?»
    «Karl ist doch Standesbeamter», erinnert er mich.
    Petersen stoppt augenblicklich die Maschine und lässt den Anker werfen.
    «Alle Insulaner aufs Autodeck», ruft er über Bordlautsprecher, seine Stimme hallt übers Wasser.
    Dann geleitet er uns aufs Autodeck, wo immer noch die große Bühne steht. Alles strömt verwirrt aus dem Salon nach unten. Hier parken immer noch Haukes Kutschen, überall hängen große Fotos von Seeigeln und Föhrer Sonnenuntergängen.
    Petersen flüstert dem dünnen Karl etwas ins Ohr. Der hat schon einige Manhattans hinter sich, aber es scheint noch zu gehen.
    Oma wieselt auf uns zu: «Was ist los?»
    «Oma, würdest du uns auf die Bühne begleiten?», bittet Maria.
    Oma schaut uns einen Moment fragend an, dann versteht sie ohne weitere Worte. Frauen!
    Eine einzelne Glücksträne perlt an ihrer Wange herunter, als sie uns in den Arm nimmt.
    Das wird jetzt hart für mich, denn auch ich habe nahe am Wasser gebaut. Ich werde mich an Maria halten, die ist gefasster als ich, das weiß ich. Ich bestehe darauf, dass Jade als zweite Trauzeugin mitkommt, obwohl sie noch keine achtzehn ist.
    Zu viert stehen wir auf der großen Bühne. Der dünne Karl hebt seine Stimme Richtung Insulanerinnen und Insulaner: «Maria und Sönke wollen heiraten.»
    Riesen-Hurra bei allen.
    «Bitte, mach’s kurz», flüstere ich ihm zu.
    «Was soll ich sagen? Ihr passt zusammen.»
    Erneuter Beifall. Noch bin ich tapfer.
    «Ich frage dich, Maria Riewerts, willst du Sönke Naumann zu deinem Mann nehmen?»
    Maria sagt nichts. Sie kann gar nichts sagen.
    Meiner sonst so starken Liebsten rollen die Tränen in Bächen herunter.
    Ganz leise kommt: «Ja.»
    «Du auch, Sönke?», fragt Karl kurz.
    «Jo!»
    «Dann seid ihr jetzt verheiratet!»
    Ich küsse Maria, die es richtig schüttelt.
    Die anschließenden Jubelschreie kann man bis hinter Helgoland hören. Auf dem Autodeck wird die Bar wieder eröffnet, Seevögel und Knurrhähne singen zusammen «When a man loves a Woman» und «Somewhere over the rainbow».
    Danach wird die Anlage angeschmissen, und wir tanzen und trinken, bis wir nicht mehr können. Kapitän Petersen fährt extra langsam, damit wir nicht so schnell ankommen.
    Maria und ich lassen uns nicht mehr los.

[zur Inhaltsübersicht]
Dank
    Mein Dank gilt allen von der Insel Föhr und vom Festland, die mich bei der Arbeit an diesem Roman unterstützt haben, insbesondere meiner Frau Bente, Karen und Jürgen Schmidt, Hark Rickmers, Dr. Thorsten Sadowsky und Lucas Haberkorn vom Museum Kunst der Westküste in Alkersum (die beide allerdings nicht ahnten, dass ich ihnen ein Bild stehlen wollte).
     
    Vorbild für Sönkes «Arche» waren die «Föhr-Amrumer Kulturtage» 2003 und 2005, organisiert von Wolfgang Peters und Lars
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