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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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liebevolle, strenge Mutter und ein lockerer, inkonsequenter Vater – ideale Bedingungen, würde ich sagen.»
    Maria löst sich aus meiner Umarmung und dreht sich um.
    «Du hältst dich also für locker?»
    «Klar.»
    «Und mich für streng …»
    «Du bist immerhin Polizistin und kannst mit Waffen umgehen, du kennst alle Verhörtechniken …»
    «So weit die Theorie», sagt Maria und grinst. «Ich erinnere dich nochmal daran.»
    Ich kann mir nur schwer vorstellen, mit einem Kind zu leben: Früh aufstehen, Windeln wechseln, langweilige Urlaubsorte ansteuern, Kombi fahren etc. Andererseits: die Vorstellung, ein Kind mit Maria zu haben, wäre das Größte und würde alles Unvorstellbare sofort vorstellbar machen.
    Unser Kind kommt aus Frankfurt, es heißt Jade, ist fünfzehn Jahre alt und unsere gemeinsame Cousine (was daran liegt, dass Maria als Adoptivtochter meines Onkels Arne gleichzeitig auch meine Cousine ist). Sie heißt nicht Dschäid, sondern Jade wie Jadebusen. Mein Onkel Cord und seine thailändische Ex-Frau Narasinee sind Jades Eltern; seit ihrer Scheidung leben sie in zwei Doppelhaushälften direkt nebeneinander. Jade war noch nie auf Föhr und will unbedingt die Wurzeln ihres Vaters kennenlernen, so hat es uns Cord jedenfalls übermittelt. Er selbst hat die Insel gleich nach der Schule verlassen, wegen seines despotischen Vaters, der gleichzeitig sein Lateinlehrer war und ihm «aus erzieherischen Gründen» eine Fünf ins Abi geknallt hat. Cord hat es auf dem Festland geschafft: er ist erfolgreicher Zahntechniker mit eigenem Betrieb in Frankfurt. Erst fünf Jahre nach dem Tod seines Vaters ist er das erste Mal zurück nach Föhr gekommen.
    Wir haben darauf bestanden, dass Jade bei uns wohnt. Maria und ich haben sie das letzte Mal vor Ewigkeiten in Frankfurt gesehen, da war sie noch ein Baby. Zur Orientierung haben wir von Cord ein Foto bekommen, das sie in einem weißen Kommunionskleid zeigt.
    Jade wird es genießen, der Enge ihrer elterlichen Umgebung in Frankfurt zu entkommen. Das Strandleben auf Föhr wird ihr genauso guttun wie mir damals. Ich hatte auch so einen jugendlichen Onkel, Marias Vater Arne, der Surflehrer war und mir auf meinen Föhr-Urlauben alles erlaubte, was meine Eltern verboten hatten. Dieser Stab wird nun an mich weitergereicht, weil ich der Nächstjüngste in der Familie bin, und ich freue mich schon darauf. Ich werde mit Jade nächtelang durch die Gemeinde ziehen und mich um keine Pädagogik kümmern. Kein Belehren oder Erziehen, wir werden einfach Spaß zusammen haben! Wie gesagt, wenn du Glück hast, hast du so einen in der Familie, der das mit dir macht. Ich erinnere mich selbst noch genau daran, wie angenehm das war.
     
    Wieso ist Jade immer noch nicht da?
    Dass sie sich seit ihrer Kommunion äußerlich verändert hat, ist Maria und mir klar, aber unter den Ankommenden wäre uns eine Fünfzehnjährige mit asiatischen Augen doch aufgefallen.
    Ich wähle Jades Nummer, die ich mir auf einen Zettel geschrieben habe.
    Besetzt.
    Ich spreche ihr auf die Mailbox: «Moin, Jade, hier ist Sönke, melde dich doch bitte, wir sind am Flughafen in der Ankunftshalle.»
    Die Punks hinter uns an der Bar kippen ein Bier nach dem anderen und grölen mit schottischem Akzent irgendetwas Versautes, das ich nur halb verstehe.
    Ich wähle noch einmal Jades Nummer.
    Jetzt geht sie ran.
    «Jade, wo steckst du? Hier ist Sönke.»
    «An der Bar. Ich habe euch nicht gesehen.»
    Ich drehe mich um.
    Ein leichenweiß geschminktes, zierliches Mädchen mit schwerem, schwarzem Ledermantel, dunkellila Rock sowie Schnürstiefeln bis übers Knie nimmt ihre Sonnenbrille ab. Düster geschminkte asiatische Augen werden sichtbar, auf ihre rechte Wange hat sie sich drei Tränen aus Glas geklebt.
    Das ist Jade?
    Mein erster Gedanke:
Wir haben nur ein Badezimmer!
    Diese Maske dauert jeden Morgen mindestens eine Stunde plus abends eine halbe Stunde zum Abschminken! Und was Nordseewasser und salzige Luft mit so viel Make-up anstellen, wird ihr nicht gefallen, schätze ich.
    Sie schenkt weder Maria noch mir die Andeutung eines Lächelns.
    «Moin, Jade», grüßt Maria freundlich und will sie umarmen. Doch Jade schiebt ihre Cousine weg: «So nahe stehen wir uns nicht.»
    Eine klare Ansage.
    Maria weiß gar nicht, wie sie reagieren soll (was äußerst selten vorkommt). Ich biete Jade nicht mal meine Hand an, sondern murmele ein betont beiläufiges «Moin».
    Maria schaut nervös auf die Uhr.
    «Wenn wir die letzte Fähre
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