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Ein Staatsgeheimnis Am Rhein

Titel: Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
Autoren: Georg R. Kristan
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Nullen vor dem Komma – was die zusätzlichen Zinsen anging!
    »Hm, hm«, seufzte Falkenhorst und dann »oha-hm.« Sein Blick suchte nach einem Halt. Doch die kahlen weißen Wände des Dienstzimmers, verschönt mit zwei kümmerlichen Radierungen aus dem Fundus des Bürodirektors, boten keinen Fixpunkt für gründliches Überlegen. Seine Frau »Tuffi« hatte es strikt abgelehnt, auch nur das kleinste Bildchen aus ihrem Œuvre in diesen »Schuppen« zu hängen, wie sie das Ministerium nannte, ohne dafür jemals einen anderen Begriff zu verwenden.
    Tuffis Werke hatten bisher nur dazu gedient, gesellschaftliche Umtriebe zu fördern und das Bankkonto in die roten Zahlen zu bringen.
    Falkenhorst drehte den Bürostuhl nach links, stand bedächtig auf und trat zum Fenster. Ein feiner graubrauner Firnis von Staub, Kalk und Rückständen des sauren Regens überzog die Scheiben und trübte die Sicht auf den klaren Himmel.
    Fünf Stockwerke tiefer lag der Parkplatz mit der reservierten Parkbucht vor dem Ministereingang. Dort blitzte das Messingschild mit dem schwarzen Bundesadler in der Sonne, und die schwarzrotgoldene Fahne wehte stolz am Mast. Niemand konnte daran zweifeln, daß hier der Staat präsent war. Das Gold des Fahnentuches schien heute allerdings eine ganz besonders verführerische Leuchtkraft zu entwickeln.
    Der BD-Wagen mit der Ordnungsnummer 1 nach der zweistelligen Kennziffer des Ressorts löste sich vorsichtig aus der Parkbucht und rollte langsam der Ausfahrt zu. Der rot-weiße Schlagbaum schwenkte hoch und die Nummer 1 verschwand um die Ecke des Gebäudes. Sosehr sich auch Ministerialrat Falkenhorst an der Fensterscheibe die Nase plattdrückte, er konnte nicht erkennen, ob sein Chef im Wagen saß. Es sprach einiges dafür, denn der Wahlkampf lief auf vollen Touren, und die Staatslimousinen warfen ihre Fracht wie Perlen vor die Wähler. Diese undankbaren anonymen Geschöpfe waren nach Meinung der Demoskopen in großen Scharen auf dem Weg zu neuen Ufern und wollten am Sonntag mit dem Stimmzettel die alte Mehrheit kippen.
    Andreas Falkenhorst hatte das dumpfe Gefühl, einer Pflichtübung nachkommen zu müssen, wußte aber nicht, ob er hoffen oder fürchten sollte, den Minister noch zu erreichen. Über das Autotelefon ging es wegen der unbeschränkten Mithörmöglichkeiten jedes besseren Funkamateurs selbstverständlich nicht. So blieb nur die vorsichtige Anfrage im Ministerbüro.
    Er wollte dort nicht anrufen, sondern persönlich vorbeischauen, nicht zuletzt, um zu sehen, ob die Chefsekretärinnen tatsächlich in dem desolaten Zustand waren, wie man im Hause kolportierte. Sie hatten schon seit Wochen zunehmend den Ausdruck der elitären Hochnäsigkeit abgestreift, weil die Tendenz zum großen politischen Szenenwechsel immer deutlicher wurde. Die Nachfolger in Macht und Amt würden tabula rasa machen und die Damen der gewesenen Herren in den letzten Winkel des Hauses verbannen. Zahlenkolonnen addieren oder unsinnige Statistiken aufstellen – mehr war für sie in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Mit der Teilhabe an der ergötzlichen Macht würde es in wenigen Tagen vorbei sein.
    Andreas Falkenhorst öffnete das Fenster, zog den Flügel nach innen und scholl ihn in einen solchen Winkel, daß die Scheibe als Spiegel diente. Sein Blick aus sanften braunen Augen galt zunächst dem vollen dunklen Haar, noch ohne einen Anflug von grauen Strähnen, dann dem herb-männlichen Gesicht mit der Ölprinztönung eines teuren Sonnenstudios. Die Strickkrawatte und der Tweed-Sakko mit grau-grüner Musterung vermittelten den Eindruck gepflegter, sportlicher Eleganz.
    Andreas nickte seinem Spiegelbild wohlgefällig zu und drückte den Fensterflügel in den Rahmen zurück. Dann begab er sich zu den Damen in die Chefetage.
    Der Teppichboden des Flures dämpfte seine Schritte. Einige Türen waren weit geöffnet, und dahinter rumorte es wie beim Möbelpacken. Die hier früher waltende hehre Stille, nur gelegentlich unterbrochen von einem Telefonanruf oder ein paar Anschlägen auf einer geräuschgedämpften Schreibmaschine, war einer hektischen Betriebsamkeit gewichen.
    »Was wollen Sie denn hier, geheimnisvoller Freund? Der Minister ist im Wahlkampf und nicht zu sprechen. Heute nicht, morgen nicht und wohl überhaupt nicht mehr«, fuhr Margot Stettner, die sonst so gefürchtete erste Kraft, den neugierigen Besucher an. »Und wir sitzen hier allein in dem Tohuwabohu!«
    »Ach, hier wird schon gepackt?« fragte Falkenhorst
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