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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande
Autoren: Pierre Bost
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und bei jedem Wetter trug, ohne sich zu beklagen (sie beklagte sich nie, schwitzte aber immer). Als sie an der Kirche vorbeikamen, trennte sie sich von den beiden Männern, um ein »bisschen Gottesdienstluft zu schnuppern«. Das gehörte zu den Gepflogenheiten dieser Sonntagsbesuche. Vater und Sohn setzten ihren Weg fort. Edouard, der, seitdem er mit seinem Vater allein war, wieder zu Gonzague geworden war, zog Mireille hinter sich her, die noch nicht daran dachte, sich tragen zu lassen. Sie langweilte sich nicht und beobachtete einen Hund.
    »Ist sie immer noch so gläubig?«, fragte Monsieur Ladmiral, der Marie-Thérèse zusah, wie sie die Kirche betrat.
    »Immer noch«, antwortete Gonzague, der ein wenig verwundert war, weil er keinen Grund dafür sah, warum sich die religiösen Gefühle seiner Frau seit dem letzten Besuch hätten verändern sollen. Aber am Ende musste man wohl hinnehmen, dass dieser rechtschaffene alte Vater oft nur etwas sagte, damit etwas gesagt wurde.
    Die beiden Männer marschierten weiter. Edouard verlangsamte seinen Schritt, um seinen Vater nicht zu ermüden. Er wusste, dass der nicht mehr sehr schnell vorankam und es nicht gern hatte, wenn man es bemerkte. Ab und zu musste man sich sogar den Anschein geben, als hätte man Mühe, ihm zu folgen. Edouard Ladmiral, der seinen Vater liebte, strengte sich an, sich in dieser Richtung kleine Schmeicheleien auszudenken; er verwandte darauf viel Einfallsreichtum und Takt; es handelte sich sogar eher um Liebenswürdigkeiten als um Schmeicheleien. Edouard stellte sich bei diesem Spiel sehr geschickt an, um den Preis, dass es ihn manchmal selbst eine gewisse Anstrengung kostete, und wenn er Erfolg hatte, genoss er die Befriedigung, die er empfand, als Belohnung.
    Edouard war ein bärtiger Mann von vierzig Jahren, ziemlich groß und kräftig und ganz in Schwarz. Seine Kleidung, sein Bart, seine Körperbehaarung – alles schwarz. Seine Hände waren behaart, und man hätte das auch von seinem Gesicht sagen können, die Haut war dunkel und fettig, die Augenbrauen buschig und der Bart dicht wie ein Drahtgeflecht. Er glich seinem Vater, zuerst vielleicht aufgrund des Bartes, den er immer, selbst als ganz junger Mann, getragen hatte, allein des Vergnügens wegen, seinem Vater zu ähneln. Als Achtzehnjähriger respektierte er ihn und vor allen Dingen liebte er ihn. Was er seinem Vater nachmachen konnte, machte er nach. Er imitierte seinen Gang, seine Gesten, selbst seine Macken, seine Ansichten, seine Geschmacksvorlieben, seine Angewohnheiten und noch mehr. Monsieur Ladmiral war anfänglich geschmeichelt und glücklich, später auf unbestimmte Weise beklommen. Er hatte an sein eigenes Leben gedacht, das durch Bewunderung, Anerkennung und vielleicht Nachahmung eingeengt worden war. Und er sagte sich: »Das hat nichts Gutes, wenn ein Junge in diesem Alter seinen Vater so sehr bewundert.« Er hatte sein Möglichstes getan, seinem Sohn zu widersprechen, ihn zu enttäuschen und zu verunsichern. Doch nichts zu machen: Gonzague heftete sich weiterhin hart an seine Fersen, wie ein kleiner Hund, den man zu gut dressiert hatte und nicht mehr loswurde. Seit dieser Zeit gehorchte Gonzague immer, und Monsieur Ladmiral fand sich mit dieser anrührenden und lästigen Anhänglichkeit ab. Aber er hatte begonnen, seine Tochter vorzuziehen, die ihm ständig widersprach. Gonzague hatte diese Umkehrung der Bündnisse bemerkt und deshalb nur noch auf seine Schwester geschworen. Was die Verhältnisse nicht klarer gemacht hatte.
    Die Bewunderung des Sohnes für seinen Vater ging so weit, dass Gonzague erstens zu malen begonnen hatte und das zweitens trotz verheißungsvoller Anfänge sehr rasch aufgegeben hatte. Für ihn zählte die Malerei seines Vaters zum Schönsten, was es gab, und er hatte eine Art Sakrileg darin gesehen, zu versuchen, ihm auf diesem Gebiet zu folgen, wo er ihn nie erreichen würde. Besser also, es sofort aufzugeben. Gonzague ließ davon ab, und in diesem Fall war ihm sein Vater insgeheim dankbar. Er hatte, vor den ersten Versuchen seines Sohnes stehend, immer eine unbestimmte Unruhe empfunden; er ahnte, dass er sich weder am Erfolg noch am Scheitern Gonzagues würde erfreuen können. Was auch das Ergebnis dieses Versuchs sein würde, er fürchtete für die Zukunft die Blamage, einen Imitator im Schlepptau mit sich zu ziehen, oder das ein wenig eifersüchtige Unbehagen, sich einen Rivalen herangezogen zu haben. Alles kam wieder in Ordnung, als Edouard seine
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