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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande
Autoren: Pierre Bost
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ich erkannte sie gut, die Originalität, jedoch bei den anderen, und das entmutigte mich am meisten. Ich erinnere mich sehr gut an den Wirbel, der um Maler gemacht wurde … wie soll ich sagen? … um Maler auf der anderen Seite, die nichts wie alle Welt machen wollten, die, wenn man so will, etwas Neues erfinden wollten, auf jeden Fall etwas anderes als die anderen. Die große Cézanne-Ausstellung übrigens 1895 oder 1894 … das war interessant, ja, aber nichts Weltbewegendes. Ich fragte mich: Wohin führt das? Auf jeden Fall verstand ich es nicht, zugegebenermaßen. Es war genau so wie das erste Mal, als ich einen van Gogh sah. Ich hatte ihn ausfindig gemacht, weil auch ich im vorangegangenen Sommer zum Malen nach Arles gegangen war, mit eurer Mutter. Ich muss euch sagen, was ich von van Gogh halten konnte! Ein Bursche war das, der doch bei Fernand Cormon gearbeitet hatte. Na ja, ich weiß wohl, dass er verrückt war.
    Ich gebe zu, dass mir das gegen den Strich ging. Aber was will man? Ich sagte mir, dass es mich selbst weiterbrachte, wenn diese Leute – und das ließ sich nicht bestreiten – ihre Persönlichkeit gefunden hatten. Wenn ich mich daranmachen musste, die Einzigartigkeit der anderen nachzuahmen, würde mir das noch immer meine eigene geben. Und da brachte es mehr, weiter meinen Meistern und meinen Gewohnheiten zu folgen, so wie ich begonnen hatte. Das ist schade, es hätte mich interessiert. Aber ein Künstler kann sein Fähnchen auch nicht in den Wind hängen. Und zudem mochte ich im Grunde nicht, was sie machten, seien wir ehrlich. Außer Monet vielleicht. Ja, das habe ich ziemlich schnell begriffen. Aber auf die Dauer, als ich begann, mich an all das zu gewöhnen, es zu begreifen und mir zu sagen, dass nach allem vielleicht sie es waren, die recht hatten … was soll’s? Es war zu spät, ich konnte mich trotzdem nicht ins Schlepptau nehmen lassen von diesen Kerlen, die von allen meinen Freunden in den Schmutz gezogen worden waren. Nicht von mir, das ist wahr, ich habe immer gewollt, dass sie ihre Chance bekommen, jeder, wie er will. Umso mehr als ich zu diesem Zeitpunkt schon vage an das Institut de France dachte. Ja, vage, aber ich hatte Pflichten, Verpflichtungen, wenn euch das lieber ist, nur werden aus Verpflichtungen sehr schnell Pflichten, sofern man ehrlich mit sich selbst ist. Ich hätte mich so um 1905 vielleicht dazu entschließen können, meinen Stil grundlegend zu ändern. Ich habe ernsthaft daran gedacht, ich habe es sogar versucht, ohne mich groß anzustrengen. Ich habe gewiss Dinge dadurch gelernt, aber ich wusste nicht recht, was ich davon halten sollte. Und dazu kam, dass eure Mutter das nicht mochte, gar nicht mochte. Ihr machte es wirklich Kummer, mir dabei zuzusehen, wie ich unsicher herumtastete, in meinem Alter, obwohl es alles in allem gut um unsere Sache stand. Und dann gab es zu allem Überfluss die Fauvisten und die Kubisten. Das auf keinen Fall! Die haben mich richtig abgestoßen. Überdies wollte ich nicht auf die Porträtmalerei verzichten, wahrlich, die verkaufte sich natürlich am besten. So ist das nun mal, man muss wissen, was man will, und so habe ich weitergemacht wie bisher. Trotzdem, diese Malerei kann unter gewissen Gesichtspunkten interessant sein, ich bestreite das nicht, aber für die Porträtmalerei zählt das nichts, darüber ist sich alle Welt einig. Dazu kommt noch etwas: Das Ganze ist Malerei für Maler und für Kunstkritiker. Na schön, aber man malt auch für das Publikum, zum Teufel! Sich dem Urteil des Publikums nicht stellen, im Grunde sogar den Kontakt mit dem Publikum verweigern, das nenne ich bei einem Künstler Feigheit.«
    So war die Karriere des Monsieur Ladmiral verlaufen. Nun war sie an ihr Ende gekommen, zumindest was die offiziellen Bekundungen betraf. Monsieur Ladmiral malte noch, aber nur zu seinem Vergnügen, wie er sagte, als hätte er bis dahin zu dem der anderen gemalt. Vor zehn Jahren hatte er Paris verlassen und ein Haus in Saint-Ange-des-Bois gekauft. Er war nicht sehr reich, aber ein bisschen; er hatte Geld, um gut zu leben. Ein Maler, der es zugleich versteht, nach der Wirklichkeit zu malen und mit der Ehrenlegion ausgezeichnet zu werden, darf sich ziemlich sicher sein, seine letzten Tage ohne materielle Sorgen zu verbringen.
    Monsieur Ladmirals Haus lag am Waldrand, auf dem höchsten Punkt eines Hangs, der sanft zur Straße und zur Eisenbahn abfiel. Durch das große Glasfenster des Ateliers sah Monsieur Ladmiral am
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