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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag
Autoren: Allison Winn Scotch
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du so weit bist – morgen, übermorgen, überübermorgen –, dann setze ich mich zu dir und erzähle dir unsere Geschichte.»
    Unsere Geschichte , denke ich, als er gegangen ist und ich den Ton am Fernseher wieder aufgedreht habe. Ja, das klingt nett. Jeder hat schließlich eine Geschichte.

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    3
    T ag sieben hält gute und schlechte Nachrichten bereit. Die schlechte Nachricht ist, dass Anderson in eine Reha-Klinik verlegt wird.
    Als er kommt, um sich zu verabschieden, stehe ich auf, langsam, vorsichtig, schüchtern in meinem Krankenhausnachthemd. Wir umarmen uns so gut es eben möglich ist – ich mit geprellten Rippen und er im Rollstuhl. Er lächelt das Lächeln, das ihn vermutlich zum Star gemacht hat. Es ist magnetisch, ansteckend, grenzt haarscharf an Hypnose. Doch ich habe den Abschnitt über ihn aus dem People -Artikel gelesen und Aufnahmen von ihm in Access Hollywood gesehen. Ich weiß, dass er in den letzten Jahren mit zu vielen Frauen im Bett gewesen ist, um sich an ihre Namen zu erinnern, und dass er Schwierigkeiten bekam, weil er bereits des Öfteren betrunken am Set auftauchte. Ich weiß, dass er zwar ungeheuer begabt, jedoch zugleich selbst sein größter Feind ist. Er torpediert seine Karriere, die sich in völlig anderen Größenordnungen bewegen könnte, wenn er nur endlich aufhören würde, es immer und überall zu übertreiben. All das weiß ich, weshalb ich auf der Hut bin, obwohl ich ihm vertraue. Dieses Lächeln. Dieses verfluchte Lächeln ist so einnehmend, dass ich mich am liebsten auf seinen Rollstuhl kuscheln und mit ihm in die Reha fahren würde. Aber ich bin vermutlich nur eine von vielen Frauen, die ganz genauso empfinden.
    Und dann ist da natürlich auch noch Peter. Meine Ehe. Mein Leben vorher. Ich fühle, wie ich rot werde angesichts dieser Phantasievorstellung, mit Anderson meinem Leben zu entkommen. Obwohl da eigentlich gar nichts ist, dem ich entkommen könnte – und gleichzeitig alles. Samantha wünschte, sie wäre wieder einundzwanzig, aber ich habe kein Einundzwanzig, zu dem ich mich zurückwünschen könnte. Mir bleibt nur, von etwas Ausgedachtem zu träumen.
    «Gib den anderen eine Chance», sagt Anderson sanft. Es klingt nicht gerade so, als wünschte er sich, ich würde auf seinen Rollstuhl springen und mit ihm davonlaufen. Aber es klingt auch nicht ausdrücklich so, als wollte er es nicht. Er hört sich eher an wie ein Verbündeter, und das sind wir wahrscheinlich auch. «Mach einen Schritt nach dem anderen, Tag für Tag. Das ist die einzige Möglichkeit.»
    «Du warst in Therapie, oder?» Ich versuche, mich zu konzentrieren, meine Gedanken zu sammeln und in die Wirklichkeit zurückzuholen, hierher, zu diesem Augenblick. «Der Seelenklempner, der mich jeden Tag besuchen kommt, erzählt mir nämlich genau das Gleiche.»
    «Jahre!» Er lacht. «Ich habe mehr Jahre in Therapie verbracht, als es einem einzelnen Menschen zusteht. Ich habe mit sechzehn angefangen – meine Eltern haben mich dazu gezwungen, als sie erfuhren, dass ich mir jeden Tag nach der Schule Lachgas reingezogen habe.»
    «Was hat dich denn so runtergezogen?» Ich versuche, Zeit zu schinden.
    «Gar nichts», antwortet er. «Das ist ja der Witz. Es gab keinen Grund – ich hatte eine glückliche Kindheit, wunderbare Eltern. Mein Vater ist Zahnarzt. Keine Ahnung … ich war einfach kaputt.» Er zögert kurz. «Und jetzt brauche ich aus tausend verschiedenen Gründen einen Therapeuten. Wegen der Albträume und alldem …»
    «In gewisser Hinsicht ist es vielleicht sogar besser, dass ich mich nicht erinnern kann.»
    «Eine Zwickmühle», stimmt er zu.
    Wir wissen beide nicht genau, wie man sich von einem im Grunde fremden Menschen verabschiedet, mit dem man gemeinsam vom Himmel gefallen ist. Schließlich reicht er mir die neueste People -Ausgabe – wir sind von der Schlagzeile in eine kleine Ecke auf dem Titelblatt gerutscht – und verspricht, eine Mail zu schreiben oder anzurufen, sobald er sich in der Reha-Klinik eingerichtet hat.
    Ich überfliege gerade die Rubrik Star Tracks , als Rory mit Dr. Stark ins Zimmer kommt. Er trägt einen blauen OP-Kittel unter seinem weißen Labormantel. Sie haben die guten Nachrichten des Tages dabei.
    «Mom ist auf dem Weg», sagt Rory, als hätte ich nach ihr gefragt. Ich lächle sie an, weil sie in der letzten Woche so nett zu mir gewesen ist, so selbstlos, obwohl ich weiß, dass sie genug anderes zu tun hätte: Sie hat ihr eigenes Leben und die
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