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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag
Autoren: Allison Winn Scotch
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an die du dich auch nicht erinnern kannst.»
    «Stimmt. Aber er schleicht ständig hier rum, sitzt in der Ecke, als wäre er irgendwie beleidigt. Es fühlt sich einfach … schräg an. Er kennt mich nackt, weiß, wie ich aussehe, wenn ich komme, du weißt schon, so was eben. Mir ist klar, dass ich dich zwar eigentlich auch nicht kenne – aber es fühlt sich trotzdem vertraut an, nach Familie.» Ich lache. «Obwohl ich mit dir vielleicht lieber auch nicht über mein Orgasmusgesicht reden sollte.»
    «Weißt du, wir müssen uns im Augenblick eben alle anpassen», bemerkt sie mit zusammengepresstem Kiefer und setzt eindeutig einen Schlusspunkt hinter das Thema.
    «Ich weiß.» Ich atme hörbar aus. «Vielleicht bin ich ja eigenartig und nicht er.»
    Sie wischt sich die Hände an ihrer Jeans ab und steht auf, um zu gehen.
    «Ach, fast hätte ich es vergessen.» Sie greift in ihre Tasche und zieht einen Stapel DVDs heraus. «Hier. Deine Lieblingsfilme, Fernsehserien und so weiter, aus unserer Kindheit. Ich dachte, vielleicht hilft dir das.» Sie kramt weiter und fingert noch etwas heraus. «Und das hier – ein iPod. Da sind sämtliche Bands draufgespielt, von denen ich weiß, dass du sie magst, dass sie dir etwas bedeuten. Ich habe Hugh gebeten, bei dir im Schrank die Schachtel mit den selbstgemischten Kassetten zu suchen.»
    «Hugh?»
    «Mein Freund», sagt sie, und ich spüre einen Hauch Verdruss, weil mir dieses wichtige Detail entglitten ist. Dabei sind mir doch so viele Details entglitten.
    «Ja. Ja! Entschuldige bitte. Ich bekomme das alles momentan noch nicht so ganz auf die Reihe.»
    «Jedenfalls habe ich ihn gebeten, die Schachtel aus deiner Wohnung zu holen, er hat es getan, und ich habe eine Playlist zusammengestellt, ‹The Best of Nell Slattery› sozusagen. Ist alles da drauf, Hunderte von Songs – angefangen bei, keine Ahnung, deinem Hochzeitssong …»
    «Meinem Hochzeitssong? Was war das?»
    «Joe Cocker – ‹Have A Little Faith In Me› », erklärt sie, als müsste mir das etwas sagen. «Über die Beatles und die Smiths bis hin zu, na ja, hör’s dir einfach an. Du wirst es schon selbst merken.» Sie steckt mir die Kopfhörer in die Ohren und stellt den iPod an. Mir ist, als würde mein Nervensystem durch die Waschanlage fahren – begossen, geschrubbt, gereinigt. Die Musik wirkt wie Balsam, ein Betäubungsmittel, und ein paar Sekunden lang fühlt es sich an, als wäre mir nie etwas geschehen, als wäre ich plötzlich wieder heil und ganz. Oder als hätte es nie etwas zu heilen gegeben.
    «Du bist eine tolle Schwester», sage ich und ziehe mir die Stöpsel aus den Ohren. Ein Gefühl der Dankbarkeit durchströmt mich wärmend – wobei es genauso gut die Überdosis Zucker sein könnte.
    «Manchmal.» Sie lächelt, aber es ist kein fröhliches Lächeln. «Manchmal auch nicht.»

    Die erste Staffel Friends ist genauso komisch, wie ich sie in Erinnerung habe, oder besser gesagt: genauso komisch, wie ich sie wahrscheinlich in Erinnerung hätte, denn theoretisch sehe ich die Folgen zum ersten Mal. Rory hat mich mit DVDs zugeschüttet, und nachdem ich mir die Texte auf der Rückseite durchgelesen habe – Good Will Hunting , Zu fünft im Leben , Reality Bites – Voll das Leben , Der Soldat James Ryan , Pretty in Pink  –, erscheint mir Friends als sicherste Methode, um mich lebendig zu fühlen und sicherzustellen, dass ich nicht vor Verzweiflung die Schwestern angefleht habe, mir im Schlaf Sterbehilfe zu leisten.
    Bei den sechs – der Clique aus Friends in ihrem coolen Café – sieht das New Yorker Leben glamourös aus, mühelos, auch wenn die Dates und das Liebesleben traurig und die Jobs relativ unbefriedigend sind und obwohl Ross rausgefunden hat, dass seine lesbische Exfrau ein Kind erwartet und er sich so sehr nach Rachel sehnt, dass er ständig ein trauriges Hundegesicht macht. Trotzdem: Die Wohnungen sind lässig und riesengroß, und die Klamotten der Mädels sitzen wie angegossen an den gertenschlanken Körpern. Ja! Ich sehe Friends und sehne mich sofort nach meinem alten Leben, auch wenn ich keinen blassen Schimmer habe, wie es war. Vielleicht war es ja wie bei Friends . Vielleicht war mein Leben eine Episode direkt aus Friends , wo Samantha und ich uns in unserem Stammcafé auf großen Samtsofas lümmeln und Peter sowie Rory und ihr Freund Hugh Gesprächspausen mit umwerfenden Witzen aus dem Stegreif und unglaublich geistreichem Geplänkel füllen, sodass alle um uns herum vor Neid
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