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Ein schwarzer Vogel

Ein schwarzer Vogel

Titel: Ein schwarzer Vogel
Autoren: A. A. Fair
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könnte,
ohne mich davon zu unterrichten.«
    Ich hielt es für richtig, nicht
zu antworten.
    »Shirley ist ein anständiges
Mädchen«, sagte er, »wirklich ein sehr anständiges Mädchen. Ich werde sie nicht
mit Fragen behelligen, wenn es nicht notwendig ist. Vor allem möchte ich nicht
den Eindruck erwecken, daß ich mich in ihre Privatangelegenheiten mische.«
    »Ich dachte, Sie wollten
wissen, warum sie das Kollier verkauft hat?«
    »Das will ich auch.«
    »Ist das etwa keine Einmischung
in die Privatangelegenheiten der jungen Dame?«
    »Das sollen Sie ja tun.
Deswegen bin ich doch zu Ihnen gekommen.«
    »Ach so, ich verstehe«,
erwiderte ich trocken.
    »Ich komme mir wie ein
Schlüssellochgucker vor«, rief er gereizt aus.
    Als wir ein paar Straßen weiter
waren, bemerkte ich: »Schließlich ist sie bei Cameron doch in guten Händen.«
    »Ich fürchte, eben nicht. Sie
muß in einer bösen Patsche stecken, wenn sie mich nicht ins Vertrauen gezogen
hat. Im Vergleich mit mir ist Bob Cameron für Shirley praktisch ein Fremder.
Das heißt... ich meine... Nun, es wäre natürlicher gewesen, daß sie sich an
mich wendet, wenn sie in Schwierigkeiten ist.«
    Wieder ließ ich eine Weile
verstreichen, ehe ich fragte: »Wäre es nicht zweckmäßig, wenn Sie mir noch
etwas über Cameron erzählten, bevor ich mit ihm spreche?«
    »Es ist mir lieber, wenn Sie
nur Zeuge sind. Ich will selbst mit ihm sprechen.«
    »Dann haben Sie aber keine
Rückzugsmöglichkeit, falls Ihnen etwas entschlüpfen sollte, was er als eine
Beleidigung auffassen könnte«, erklärte ich ihm. »Rede dagegen ich, so brauchen
Sie nur zuzuhören, und wenn ich zu weit gehen sollte, kann er Ihnen nicht die
Schuld geben.«
    »Bleiben Sie mir mit Ihren
diplomatischen Kniffen vom Hals. Damit bin ich noch nie weitergekommen. Wenn
ich etwas erledigen muß, will ich es selbst tun und so schnell wie möglich
hinter mich bringen.«
    »Vorausgesetzt, daß Sie es mit
dem >Tun< auch wirklich erledigen und hinter sich bringen. Das gelingt
manchmal nicht. Jedenfalls würde ich gern mehr über Cameron wissen.«
    »Bob Cameron ist
siebenundfünfzig Jahre alt. In jungen Jahren hat er eine Zeitlang in
Goldbergwerken in Klondike gearbeitet. Dann ging er — reich an Erfahrungen im
Goldschürfen — in die Wüste, wanderte hinunter nach Yukatan, Guatemala, Panama
und kam schließlich nach Kolumbien. In Medellin lernte er Cora Hendricks
kennen. Sind Sie einmal dort gewesen?«
    »Als Privatdetektiv kommt man
nicht viel zum Reisen.«
    »Medellin ist eine schöne
Stadt. Sie hat ein Klima, das man kaum für möglich halten sollte. Die
Temperatur schwankt nie um mehr als fünf oder sechs Grad, weder bei Tag noch
bei Nacht, noch im Sommer oder Winter. Ständig liegt sie bei dreißig Grad. Die
Menschen dort sind gastfreundlich, entgegenkommend, klug und kultiviert. Sie
leben in prachtvollen Häusern mit großen Patios und...«
    »Sind Sie damals auch zufällig
dort gewesen?« unterbrach ich ihn.
    »Ja, wir sind uns alle dort
begegnet. Dort lernten wir Cora Hendricks kennen. Nicht in Medellin selbst,
sondern in ihrem Bergwerk am Fluß.«
    »Und Shirley Bruce?«
    »Shirley war natürlich auch da.
Mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen, obwohl es — lassen Sie mich
nachdenken —, ja, es muß jetzt zweiundzwanzig Jahre her sein. Cora befand sich
gerade auf einem Besuch in den Staaten, als ihre Kusine bei einem Autounfall
ums Leben kam. Ihr Mann, Shirleys Vater, war nur ein paar Monate früher an
einem Herzschlag gestorben. Cora selbst war nie verheiratet, sie war der Typ
der alten Jungfer. Trotzdem nahm sie sich der kleinen Waise an, so wie sie war,
und brachte sie mit nach Kolumbien. Sie und die Frau des Verwalters der Mine
versorgten das Baby. Wir hingen alle sehr an dem Kind.«
    »Arbeiteten Sie alle beim
gleichen Bergwerk?«
    »Ja und nein. Bob Cameron und
ich besaßen eigene Minen in der Nachbarschaft. Es sind große Anlagen, die mit
Wasserkraft ausgebeutet werden. Kolumbien ist ein sehr interessantes Land.«
    »Und Cora Hendricks starb bald,
nachdem sie mit dem Kind zurückgekommen war?«
    »Ja, innerhalb von drei oder
vier Monaten.«
    »Und dann übernahmen Sie die
Leitung ihres Bergwerks?«
    »Nicht sofort. Cameron und ich
fuhren in die Staaten, um das Vermögen sicherstellen zu lassen. Erst nach einem
Jahr kamen wir nach Südamerika zurück. Das Reisen war damals noch nicht so
einfach wie heute. Wir waren höchst überrascht, als wir den Umfang des
Hendricksschen
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