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Ein Quantum Blut - Biting the Bullet

Titel: Ein Quantum Blut - Biting the Bullet
Autoren: Jennifer Rardin
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die Stoffstreifen ihm von den Schultern fielen, fing er von vorne an, diesmal damit, seine Haut zu zerfetzen. Ich versuchte zu schlucken, aber mein Hals war völlig ausgetrocknet.
    Mein Blick wanderte zu einem anderen Mann, der Erste, den ich dabei beobachten konnte, wie er stehen blieb. Er schaute stur geradeaus. Für einen Moment wurde sein Blick klar.
    Alle in einem Umkreis von hundert Metern verharrten. Duckten sich. Stießen ein kollektives Stöhnen aus, das wie ein Messer in meine Eingeweide drang.
    Flammen stießen vom Himmel herab und umgaben den Mann. Sobald er zu schreien begann, breitete sich das Feuer auf die Wesen in seiner Umgebung aus, als hätte eine riesige dämonische Faust mit einer roten Plastikkanne nach unten gegriffen und sie alle mit Kerosin übergossen.
    Ich habe in meinen fünfundzwanzig Lebensjahren mehr Grausamkeiten gesehen als mir lieb ist. Aber das war mit nichts zu vergleichen. Die Schreie allein hätte ich vielleicht noch ertragen. Oder den reinen Anblick von fünfzig brennenden Menschen. Aber nicht … »Raoul, der Geruch …«
    Er griff in eine Tasche an seinem Bauch und zog zwei ovale Pfropfen hervor, die an Riechsalz erinnerten. »Steck dir die in die Nase.«
    Ich folgte seiner Anweisung, und es half. Ich fragte mich, was Raoul wohl noch alles in sein Höllenausflugsköfferchen gepackt hatte. Besser nicht nachfragen.
    Rund um die brennenden Leute gingen alle anderen weiter ihren Beschäftigungen nach.
    Eine Frau biss sich immer wieder in den Mittelfinger.
Mir fiel auf, dass sie ihren Daumen und Zeigefinger schon bis zum ersten Gelenk abgekaut hatte.
    Ein Mann fiel alle paar Schritte auf die Knie und hinterließ eine blutige Spur auf den Steinen.
    Zwei Teenager, eineiige Zwillinge, peitschten sich abwechselnd mit Zweigen, die sie von den nicht ganz so unschuldigen Bäumen gerissen hatten.
    Obwohl ich gerade aus der Badewanne kam, hatte ich das Bedürfnis, nach Hause zu gehen und zu duschen. Und Polyanna zu schauen. Und mit meiner kleinen Nichte zu kuscheln. Alles, was mich daran erinnerte, dass irgendwo in meiner Welt noch etwas Gutes existierte.
    »Ich wusste, dass die Hölle so ist«, erklärte ich Raoul bitter. »Die letzte Station des Wahnsinns. Wo es keine Hilfe gibt. Keine Erleichterung. Nur ewig andauernden Wahn.«
    »Für dich und diese Leute, ja. Für andere ist sie etwas völlig anderes.«
    »Aber alle sind physisch hier anwesend?«
    »Das ist Teil der Strafe«, erwiderte Raoul.
    Wie Vayl bereits erwähnt hatte, war ich ein paarmal außerhalb meines Körpers gewesen. Was für ein Rausch. Doch einmal war ich ein wenig zu lange weggeblieben. Fast alle Verbindungen, die ich zur physischen Welt hatte, waren verblasst. Ich wusste noch, wie hart es gewesen war, wieder in meinen Körper zurückzukehren, wie eingeengt ich mich gefühlt hatte, fast schon gefangen. Ich verstand, wie eine erzwungene Rückkehr in einen Körper, wenn man erst einmal alle irdischen Grenzen gesprengt hatte, ihn wie ein Gefängnis erscheinen lassen konnte. Sogar mit meiner Sie-kommen-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte, an die ich mich klammerte, wäre ich am liebsten abgehauen.
    »Kannst du mir sagen, was wir hier tun müssen?«

    »Unsere Späher haben von Gerüchten berichtet, nach denen ein Konklave abgehalten werden soll, da drüben, unter dem Wachturm.« Er deutete auf den nächsten als Galgen dienenden Baum. Einen Moment mal.
    »Raoul, was ist die Hölle für dich? Was siehst du?«
    Dinge, die ich nie wieder sehen wollte, sagte mir sein Blick, als er mir in die Augen schaute. »Ein Kriegsgefangenenlager«, erklärte er rau. »Folter, Hunger und Elend bis zum Horizont.«
    Heftige Reaktion von Daves Leuten. Wenig überraschend. Vielleicht hatten sie es die ganze Zeit vermutet. Ich sah in ihre Gesichter, als ich fortfuhr: »Ich fragte mich, ob er so gestorben war. Aber ich kannte ihn noch nicht lange genug, um ihn danach zu fragen. Ich hatte andere, dringendere Fragen. Wie etwa: Wer wäre dazu in der Lage, die Aktivitäten der Höllendiener auszukundschaften? Und was hatte das alles mit mir zu tun? Aber laut der Nachricht, die ich mir selbst geschrieben hatte, hatten wir keine Zeit für Smalltalk.«
    »Du sagtest, er hätte einen Tarnanzug getragen, als er kam, um dich zu holen«, bemerkte ein kleiner, drahtiger Mann mit einem schwarzen Vollbart, der sich als Ricardo Vasquez vorstellte. »War das alles?«
    Ich wusste, worauf er hinauswollte. »Nein, er trug auch ein schwarzes Barett mit einem
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