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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben
Autoren: Leonardo Padura
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du immer nur von Romanen träumst, die du nie schreiben wirst, oder weil diesen Scheiß-Fall jeder Blödmann lösen kann. Such dir die Antwort aus und kreuze sie an.«
    »Ich entscheide mich für das, was du mir nicht mehr sagen willst.«
    »Das ist dein Problem, ja? Und jetzt hör zu: In jeder Provinz wurde ein Beamter mit der Suche nach Rafael Morín beauftragt. Dort hast du die Vermisstenanzeige, die seit gestern erteilten Anordnungen und die Liste der Leute, die dir zur Verfügung stehen. Ich hab dir auch wieder Manolo zugeteilt … Außerdem die Personenbeschreibung des Vermissten, sein Foto und eine Kurzbiografie, die uns seine Frau gegeben hat.«
    »In der es heißt, dass es sich um einen untadeligen Menschen handelt.«
    »Ich weiß, untadelige Menschen magst du nicht, aber damit musst du leben. Ja, allem Anschein nach ist er ein untadeliger Mann und zuverlässiger Genosse. Niemand hat einen blassen Schimmer, wo er da reingeraten oder was ihm passiert sein könnte. Ich jedenfalls rechne mit dem Schlimmsten … Aber dich interessiert das wohl überhaupt nicht, was?«, schrie er in plötzlich verändertem Tonfall.
    »Hat er vielleicht das Land verlassen?«
    »Sehr unwahrscheinlich. Außerdem gab es lediglich zwei Versuche, beide gescheitert. Der Nordwind bläst wie verrückt.«
    »Krankenhäuser?«
    »Natürlich nichts, Mario.«
    »Hotels?«
    Der Alte schüttelte den Kopf und stützte sich mit beiden Ellbogen auf den Schreibtisch. Es sah so aus, als langweilte er sich.
    »Politisches Asyl in irgendwelchen Pensionen, Stundenhotels, illegalen Kneipen?«
    Der Alte lächelte. Ein kaum wahrnehmbares Zucken der Lippe über der Zigarre. »Mach, dass du wegkommst, Mario, aber vergiss nicht, was ich dir gesagt habe: Beim nächsten Mal mach ich dich fertig! Du kriegst ein Disziplinarverfahren an den Hals, wegen ungebührlichen Benehmens gegenüber einem Vorgesetzten.«
    Teniente Conde stand auf. Er nahm die Akte in die linke Hand, rückte mit der rechten die Pistole zurecht und deutete einen militärischen Gruß an. Als er sich umdrehen wollte, um das Büro zu verlassen, ließ Mayor Rangel eine weitere Version seiner Kombinationen von Stimme und Tonfall hören, bemüht, ein Gleichgewicht zwischen Überredungskunst und Neugier herzustellen.
    »Mario, darf ich dir zwei Fragen stellen?« Er stützte das Gesicht in beide Hände. »Junge, warum bist du zur Polizei gegangen? Verrat mir das endlich, los!«
    Mario Conde sah den Alten an, als hätte er nicht richtig verstanden. Er wusste, dass er ihn mit seiner Mischung aus Gleichgültigkeit und Effizienz immer wieder aus der Fassung bringen konnte, und diesen kurzen Moment der Überlegenheit genoss er.
    »Ich weiß es nicht, Chef. Seit zwölf Jahren denke ich darüber nach, aber ich weiß es immer noch nicht. Und die zweite Frage?«
    Der Mayor stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Er strich sich das Uniformhemd glatt, eine Art kurzärmelige Jacke mit Achselstücken und Rangabzeichen, die frisch aus der Wäscherei zu kommen schien. Dann musterte er die Schuhe, die Hose, das Hemd und das Gesicht des Teniente.
    »Wo du nun schon mal Polizist bist«, begann er, »wann wirst du dich wie ein Polizist kleiden, he? Und warum rasierst du dich nicht anständig? Schau dich doch mal an, du siehst aus, als wärst du krank.«
    »Das waren drei Fragen, Mayor. Willst du darauf drei Antworten?«
    Der Alte lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, ich will, dass du Rafael Morín findest. Im Grunde interessiert es mich doch gar nicht, warum du zur Polizei gegangen bist. Und noch weniger, warum du nicht endlich diese verwaschene Hose ausziehst. Was mich interessiert, sind schnelle Resultate. Ich habe es nicht gerne, wenn Minister mir Druck machen«, fügte er hinzu, dann gab er den militärischen Gruß lustlos zurück und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch, von wo aus er den Teniente hinausgehen sah.
     
    Gegenstand der Anzeige: Verschwinden einer Person
    Anzeigeerstatter: Tamara Valdemira Méndez
    Privatanschrift: Santa Catalina N° 1187, Santos Suárez, Havanna Stadt
    Pers. -Ausweis Nr. 56071000623
    Beruf: Zahnärztin
    Angaben zum Fall: Am Donnerstag, dem 1. Januar 1989, um 21.35 Uhr erscheint auf der hiesigen Dienststelle die Anzeigenerstatterin (= AE), um das Verschwinden des kubanischen Staatsangehörigen Rafael Morín Rodríguez anzuzeigen, Ehemann der AE, wohnhaft o.g. Adresse, Pers.-Ausweis-Nr. 52112300565, Hautfarbe: weiß, Haarfarbe: dunkelblond, Augenfarbe: blau,
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