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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund
Autoren: Martin Suter
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träumerisch.
    »Kennen Sie sie?«
    Fabio schüttelte den Kopf.
    »Dann waren Sie noch nie in Ägypten.«
    »Was wissen Sie über Doktor Barth?«
    Boswell schlürfte vorsichtig etwas Tee. »Doktor Barth war ein hochtalentierter Forscher.« Er stellte das Glas ab und betrachtete einen seiner spitz gefeilten, polierten Nägel. »Nicht nachvollziehbar, der Schritt. Dabei hätte er ausgesorgt gehabt.«
    »LEMIEUX hatte ihn gekauft?«
    »Nicht ihn. Seine Erfindung. Ein hochempfindliches Nachweisverfahren für Prionen in Lebensmitteln. Genau das, worauf die Welt gewartet hatte.«
    »Warum hört die Welt denn jetzt nichts davon?«
    »Es ist noch nicht ganz ausgereift. Aber in Kürze sind wir soweit. Höre ich von unserer Forschungsabteilung.«
    »Weshalb hat er es nicht selbst fertigentwickelt?«
    »Das hat verschiedene Gründe. Einer hing mit seinem Arbeitgeber zusammen. Seine Vertragssituation muß sehr unvorteilhaft gewesen sein - ich war nicht persönlich in die Verhandlungen involviert. Dadurch, daß wir uns einschalteten, wurde eine für ihn sehr viel lukrativere Lösung möglich.«
    »Und die LABAG war damit einverstanden, daß das an ihr vorbeilief?«
    »Die LABAG ist eine hundertprozentige Tochter von uns.«
    »Schon immer gewesen?«
    »Das nicht«, räumte Boswell bescheiden ein.
    Fabio begann der Ton des Mannes auf die Nerven zu gehen.
    »Und die Prionen in der Schokolade hatten sicher einen Einfluß auf die finanzielle Regelung?«
    »Natürlich. Stellen Sie sich vor, was das für einen Aufruhr gegeben hätte. Wissen Sie, wieviel von unserer Schokolade allein bei uns pro Jahr gegessen wird?«
    »Vier Kilo pro Kopf der Bevölkerung«, antwo rtete Fabio.
    »Das kommt etwa hin. Und jetzt stünde eines Tages in der Zeitung das Gerücht, es hätten sich Prionen in LEMIEUX- Schokolade gefunden.«
    »Nicht das Gerücht«, korrigierte Fabio, »der Beweis.«
    »Der von einem in der Entwicklung steckenden Verfahren erbrachte Beweis. Nein, nein: Doktor Barth traf die richtige Entscheidung, als er sich mit uns finanziell geeinigt hat.«
    »Er selbst scheint da anderer Meinung gewesen zu sein.« Boswell hob bedauernd die Hände und ließ sie wieder sinken.
    »Wenigstens profitiert seine Witwe heute von seinem Verantwortungsbewußtsein.«
    Fabio lachte kurz auf. Der Mann an der Tür schaute herüber.
    »Und dann, als Sie dachten, Sie hätten alles hübsch geregelt und unter den Teppich gekehrt, tauchte ich auf.«
    Boswell konnte erst antworten, als er den Tee hinuntergeschluckt hatte. Aber er nickte schon vorher. »Genau. Dann tauchten Sie auf.«
    »Ich nehme an, Sie haben versucht, auch mich zu kaufen, und als das nicht klappte, haben Sie sich an Jäger gewandt, damit er auf mich Einfluß nahm. Und als das nicht klappte, bekam ich eins über den Schädel. Wieviel haben Sie ihm bezahlt?«
    Boswell schenkte sich ein neues Glas Tee ein. Von nicht ganz so hoch wie der Kellner, aber hoch genug, daß sich etwas Schaum bildete. »Herrn Jägers Rolle war eine andere. Er betrat die Bühne erst später, als Sie Ihre Nachforschungen wiederaufnahmen und in der LABAG auftauchten. Er versuchte uns davon zu überzeugen, daß es Ihnen nur darum ging, Ihre Gedächtnislücken zu füllen. Und Sie an unsere Sache keine Erinnerung hatten. Es lag ihm sehr viel daran.«
    Fabio fiel keine Antwort ein. Er führte die Kaffeetasse zum Mund, merkte, daß sie leer war, und stellte sie wieder hin. Boswell klatschte in die Hände. Sofort erschien der Kellner. Boswell lächelte zufrieden. »Sie sehen, hier wird Wert auf Authentizität gelegt.« Er bestellte noch einen Kaffee für Fabio.
    »Deshalb habe ich damals unseren Herrn Doktor Mark vertreten.
    Ich wollte mich persönlich überzeugen, wie total Ihre Amnesie war. Ich war nicht ganz befriedigt vom Resultat. Dazu erwähnten Sie Doktor Barth zu häufig. Das habe ich Herrn Jäger gegenüber auch erwähnt. Aber er wollte auf keinen Fall, daß ich mich einschaltete.«
    Der Kellner brachte den Kaffee. Fabio machte keine Anstalten, ihn zu trinken.
    Boswell fuhr fort: »Aber Sie hörten nicht auf zu recherchieren. Fuhren nach Amalfi. Besuchten die POLVOLAT. Da konnte ich, bei aller Rücksichtnahme auf Ihre besondere Situation, nicht anders, als Herrn Jäger davon in Kenntnis zu setzen, daß wir jetzt eingreifen.«
    »Und? Wie hatte er reagiert?«
    »Ungeschickt. Bei unserem letzten Treffen…«
    »… in der Lobby des Europa.«
    Fabios Zwischenbemerkung brachte Boswell für eine Sekunde aus dem Konzept, dann
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