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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund
Autoren: Martin Suter
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fuhr er fort: »Bei unserem letzten Treffen im Europa drohte er mir ganz offen damit, die Sache selbst zu veröffentlichen, um Sie aus dem Schußfeld zu nehmen. Wir mußten das sehr ernst nehmen. Wir gingen davon aus, daß er eine Kopie der Dokumente besaß. Er hat ja dann bekanntlich einen anderen Weg gewählt. Mir persönlich hat das sehr leid getan. Er hatte mich beeindruckt mit seiner Loyalität, der junge Mann. Wäre nicht nötig gewesen. Es hätte auch für ihn andere, lebensbejahendere Lösungen gegeben.«
    Fabio stellte die Frage, die ihn schon lange interessierte:
    »Wieviel haben Sie ihm bezahlt?«
    Boswell blieb auch jetzt sachlich: »Achthunderttausend Dollar. Das waren zum damaligen Kurs etwas unter eins Komma vier Millionen Schweizer Franken.«
    Das war nun doch einiges mehr, als Fabio angenommen hatte.
    »Aber nicht ihm haben wir das bezahlt. Ihnen, Herr Rossi, Ihnen. Herr Jäger war da stur.«
    Fabio war, als faßte ihn ein kleines kaltes Händchen am Nacken. Er konnte nichts sagen. Er konnte sich nicht bewegen.
    Boswell stand auf. »Das wollte ich Ihnen nur in Erinnerung rufen, Herr Rossi. Betrachten Sie die Information als meinen Beitrag zur Rekonstruktion Ihres Gedächtnisses.« Er zeigte auf den Tisch. »Das hier geht selbstverständlich auf meine Rechnung. Und wenn Sie danach noch etwas benötigen, bestellen Sie ungeniert.«
    Fabio übersah die ausgestreckte Hand.
    »Und verzeihen Sie die Sache mit dem Fahrrad. Meine Leute sind manchmal etwas kindisch.«
    Fabio blickte Boswell nach, als der zum Ausgang ging. Der Mann dort hielt ihm die Tür auf.
    Er traute sich nicht zu, das Rad zu fahren. Er wußte nicht, wie lange er benommen im Blue Nile sitzen geblieben war. Irgendwann hatte er Fredi angerufen und ihm mitgeteilt, er müsse ihn dringend treffen.
    Fredi war nicht begeistert. Er war auf dem Weg zum Bootshafen. Er wollte den Nachmittag mit ein paar Freunden auf der Libellula verbringen und am Abend vom See aus das Feuerwerk anschauen. Aber Fabio bestand darauf. Nur eine halbe Stunde, versprach er.
    Jetzt schob er das Rad zum Bertini. Es lag nicht sehr weit vom Blue Nile.
    War es möglich? War sein Ausflug in sein Alter ego, wie es Dr. Vogel nannte, so weit gegangen?
    Fredi war schon dort, als Fabio ankam. Er trug ein weißes Polohemd und darüber einen zweireihigen Blazer mit Goldknöpfen und einem gestickten Wappen, auf dem »Libellula« stand. Er trank einen weißen Martini, wahrscheinlich sein Sportgetränk. Dazu hatte er sich einen Teller mit ein paar Häppchen reichen lassen. Das Lokal war noch leer, auf allen Tischen stand »reserviert«.
    »Was trinkst du?« fragte Fredi.
    »Nichts. - Eine Frage: Du sagtest doch, als wir uns das erste Mal wieder trafen, hätte ich über Dinge gesprochen, die mich früher nicht interessierten. Zum Beispiel Geld.«
    Fredi schaute ihm ruhig in die Augen. »Stimmt.« Er angelte sich ein Rädchen Salami und schob den Teller ein paar Zentimeter zu Fabio hinüber. Der schüttelte den Kopf.
    »Zum Beispiel über achthunderttausend Dollar?«
    »Zum Beispiel.«
    »Wo sind sie?«
    »Gut angelegt. In der Firma. Wie abgemacht.« Er gabelte sich ein Stück Coppa vom Teller, kaute zweimal und spülte es mit Martini Bianco runter.
    Fabio schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Scheiße!«
    Der Kellner schaute irritiert zu ihnen herüber. Fabio dämpfte die Stimme. »Ich kam zu dir mit achthunderttausend Dollar und bat dich, sie für mich anzulegen?«
    Fredi nickte. Er hatte wieder den Mund voll.
    »In bar?«
    Fredi grinste, schluckte und sagte: »In einem Jutebeutel vom Bioladen.«
    »Hast du mich gefragt, woher ich das Geld hatte?«
    »Wenn du das hättest sagen wollen, hättest du es gleich zur Bank bringen können.«
    Fabio schlug nochmals auf den Tisch. »Scheiße! Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    Fredi schaute ihn ungerührt an. »Ich wollte sehen, ob es dir wieder einfällt.«
    »Und wenn es mir nicht wieder eingefallen wäre?« Fabio schrie es fast.
    Fredi schenkte ihm sein reizendstes Lächeln. »Dann hättest du es auch nicht vermißt.«

21
    In einem gelben Renault mit dem Schriftzug MYSTIC Productions fuhren sie am Nachmittag zur Gartengenossenschaft Waldfrieden. Es herrschte kaum Verkehr. Das Wetter war noch immer launisch. Eben noch waren fette Tropfen auf die Windschut zscheibe geplatscht, jetzt mußte Norina bereits wieder die Sonnenblende herunterklappen.
    An einer roten Ampel sah sie ihn von der Seite an: »Wenn es dir so schwerfällt, kann
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