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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht
Autoren: Oliver Bottini
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Koch war ein französischstämmiger Italiener aus dem Aostatal und hatte versprochen, ihn fünf Tage lang zu verwöhnen.
    »Ich würde später gern in die Altstadt hochfahren.«
    »Das geht leider nicht«, erwiderte Toni.
    »Warum nicht?«
    »Außerhalb des Hauses dürfen Sie sich nur mit Polizeieskorte bewegen. Die müssen wir beantragen, und das dauert ein paar Stunden. Nichts liebt die algerische Bürokratie weniger als Spontaneität.«
    »Dann fahren wir ohne Eskorte. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Constantine gefährlich ist.«
    »Für Sie ist jeder Ort in Algerien gefährlich.«
    »Sie übertreiben.«
    »Immer«, erwiderte Toni. »Deshalb bin ich noch am Leben.«
    Richter hob den Blick zu den Häusern in der Sonne. Ob heute oder morgen, spielte natürlich keine Rolle. Aber es ging ums Prinzip. Er war doch Geschäftspartner der Algerier, nicht ihr Gefangener. »Sie würden mich wohl nicht daran hindern, allein loszufahren?«
    »Nein, aber ich würde an Ihr Gewissen appellieren. In dem Moment, in dem Sie nächste Woche ins Flugzeug steigen, wären Ahmed und ich unsere Jobs los. In Algerien könnten wir in unserer Branche nicht mehr arbeiten.« Toni deutete in Richtung Constantine. »Ahmed hat Familie da oben. Kleine Kinder, alte Eltern. Sechs Menschen sind von ihm abhängig.« Er zog einen Sessel unter dem Tisch hervor. »Setzen Sie sich.«
    Richter gehorchte, langte nach den Erdnüssen, streckte die Beine von sich.
    Toni ließ sich neben ihm nieder und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Sie haben von AQMI gehört? AQM , wie die deutschen Behörden sagen.«
    »Al-Qaida im islamischen Maghreb.«
    »Entführungen, Anschläge, Drogenschmuggel, Waffenhandel, Schleusung.«
    »Ein paar Hundert Krieger in der Wüste, Toni, zweitausend Kilometer entfernt.«
    »Sie lesen die falschen Zeitungen.«
    Tonis Stimme wurde leise und eindringlich. AQMI sei 2007 aus der GSPC hervorgegangen, erklärte er, der Groupe salafiste pour la prédication et le combat, einer der brutalsten islamistischen Terrorbanden Algeriens, 2003 verantwortlich für die Entführung der zweiunddreißig europäischen Sahara-Reisenden. Mit dem Segen der damaligen Al-Qaida-Führung dann die Umbenennung und offizielle Einbindung in den weltweiten Dschihad. Heute gehe man von zwölfhundert bis zweitausend AQMI -Kämpfern aus, etwa die Hälfte davon zurzeit in Mali aktiv, andere in Libyen und Mauretanien, viele jedoch in Nordalgerien, vor allem in der Berberregion Kabylei, keine dreihundert Kilometer von Constantine entfernt.
    Pro Jahr verübe die Gruppe in Algerien fünf- bis sechshundert Anschläge. Ihre Spezialitäten im Norden: falsche Straßensperren, bei denen Angehörige der Sicherheitskräfte aus Autos oder Bussen gezogen und erschossen würden, sowie Sprengstofffallen. 2007 seien bei drei Anschlägen in Algier über sechzig Menschen getötet worden, darunter Mitarbeiter der UNO . Die Amerikaner stuften AQMI als eine der gefährlichsten Terrorgruppen überhaupt ein.
    »Kein Deutscher, der in offizieller Funktion in Algerien ist, sollte ohne Eskorte über Land fahren. Das gilt für den Botschafter genauso wie für den Leiter des Goethe-Instituts und die Mitarbeiter der Deutsch-Algerischen Handelskammer. Keiner von ihnen verlässt Algier ohne Eskorte.«
    Richter hob träge eine Hand. »Ich will nicht über Land, nur da rauf.«
    »Nicht heute.«
    »Schon gut, schon gut. Buchen Sie die Eskorte für morgen, achtzehn Uhr dreißig. Schafft die algerische Bürokratie das?«
    Toni nickte. »Danke.«
    »Sie übertreiben überzeugend.«
    »Ich habe gute Quellen.«
    »Die Algerier?«
    »Von denen erfahren Sie nichts.« Toni zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Das Bundeskriminalamt hat einen Verbindungsbeamten an der Botschaft, Ralf Eley. Er gibt Antworten, wenn man ihm Fragen stellt. Sie lernen ihn am Dienstag kennen, er kommt mal rüber nach Constantine, will Sie kennenlernen, sich ein bisschen genauer informieren über das, was Ihre Firma so plant.«
    »Um anderen Antworten auf deren Fragen geben zu können?«
    »Das ist sein Job.«
    Für eine Weile fiel kein Wort. Richters Blick lag auf Constantine, in das Licht dort oben hatte sich ein zartrosa Schimmer geschlichen. Er war in einem südbayerischen Tal ohne Sonne aufgewachsen, deshalb die Sehnsucht nach Helligkeit. Bei Meininger Rau in Altniederndorf hatte er zwei zusätzliche Fenster in die Büromauer einsetzen lassen. Bei Elbe Defence in Lüneburg waren die Mauern auf drei Seiten aus
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