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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Autoren: Sibylle Berg
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in die Wüste
    Was tut ein Männerpaar in der Wüste. Nach zehn Stunden Fahrt in immer mehr Sand hinein. Nach zehn Stunden Fahrt von allen Menschen weg und weg von den Straßen dahin, wo weder einer lebt noch einer vorbeikommt, weil da eben niemand lebt und das Auto kaputt ist. Keiner der beiden kann das Auto reparieren, und natürlich haben sie weder Wasser noch Decken mit. Kalt wird es in der Wüste des Nachts, wenn da keiner lebt und alles zehn Stunden weit weg ist. Nichts können zwei Männer da machen als sich ein wenig Mut. Daß sie morgen loslaufen können, wenn es hell ist, durch die Hitze in der Wüste, den Sand und die Dornen. Um vielleicht anzukommen, wo einer lebt, bevor der Mensch stirbt, wenn er drei Tage kein Wasser bekommt.
    Einige Wüstentiere hatten ein paar Tage später viel Spaß dabei, die beiden Männer verblöden zu sehen, beim Ver-dursten. Die aufgesprungenen Lippen, das von der Sonne aufgeweichte Hirn. Saßen die Tiere und beobachteten, wie Paul noch ein bißchen besser beieinander war, die Haut wie verbranntes Leder um den Körper klebte. Sich Paul auf den Mann warf, die Zähne in dessen Körper grub, das Blut zu trinken begann, das den Durst nur unwesentlich löschte. Wie der Mann zuckte, als das Blut aus ihm in Pauls Mund floß, immer bleicher wurde. Zu benommen, um den Tod recht zu würdigen. Und sich Paul den Mund wischte, noch von dem warmen Fleisch probierte, das aber zäh am Körper saß, und Sehnen knirschte mit den Zähnen. Aber auch starb. Einen Tag später. In der Mittagssonne. Ohne viel Aufhebens. Die Tiere warteten nicht, bis der letzte Atemzug getan war, legten bereits die ersten Fliegen ihre Brut in die aufgerissenen Augen. Nagte ein Tier an den gut erhaltenen Genitalien, hackten Vögel sich zielstrebig durch die lederne Haut. Gerne hätten wir ge-wußt, ob Paul diese Schmerzen spürte, ob er noch ange-widert sein konnte, voll Ekel sein konnte. Ob er in diesem Moment zutiefst gedemütigt war. Leider werden wir dar-
    über nicht mehr viel erfahren.
    BETTINA fahrt Auto
    Tom neben mir im Auto. Ich wie ein Hund. Reflexe sind alles. Mann. Hübsch. Sonne scheint. Will ich haben. Sollte ich doch mal zu einem Therapeuten? Mir erklären lassen, daß es Glück nicht durch einen anderen Menschen gibt?
    Erklären lassen, was ich längst weiß? Alleine zu sein finde ich furchtbar. Niemanden zu haben, zum Drandenken.
    Tom ist grad da. Pech für ihn. Ich glaube, ich bin jetzt soweit. Ich könnte wirklich mit jemandem zusammenwohnen. Ich glaube nicht mehr an die große Liebe. Niemand sollte mehr daran glauben. Das sollte von Gesetz wegen verboten werden. Ich wäre froh, wenn ich jemanden hätte, der mit mir zusammenwohnt. Mit dem ich reden kann. Das ich nicht mehr alleine bin. Ich habe Angst, immer alleine zu bleiben. Was haben wir von unserem ganzen tollen Leben, von unseren spannenden Berufen, wenn wir uns mit niemandem darüber freuen können.
    Ich glaube, ich habe gar keine Ansprüche mehr an den Menschen, mit dem ich zusammenwohne. Er sollte nur mit mir reden, nett sein. Mit unseren Ansprüchen machen wir uns alles kaputt. Der Mensch, mit dem wir leben wollen, muß besser sein, als wir selbst jemals werden können. Er muß aussehen wie ein Mensch aus einer Werbung.
    Muß alle unsere Träume erfüllen. Ich meine, das ist doch Schwachsinn. Wir brauchen doch nur einen Menschen, damit wir nicht alleine sterben. Ich glaube, mit Tom könnte das gehen. Mit ihm könnte ich leben. Ich werde versuchen, ihm klarzumachen, daß es für uns gut wäre zusammen-zuleben.
    NORA ist allein
    Sie sind weggefahren. Ich weiß, daß Tom bei ihr bleiben wird. Sie werden in einem verfluchten Haus zusammen-leben. Vielleicht haben sie auch Kinder oder einen ähn-lichen Dreck. Es ist schon Abend. Ich weiß nicht, wann sie zurückkommen. Es ist schon um 9. Er ist mit ihr gefahren und hat mich allein gelassen. Mein Herz ist ganz laut, in diesem Haus. Es ist das einzige, was sich in mir noch bewegt. Ich warte jetzt einfach, daß sie zurückkommen und mir sagen, was los ist. Aber vielleicht geht Tom ja gar nicht mit ihr. Vielleicht kommen sie zurück, und sie hat voll schlechte Laune, und Tom fragt mich, ob wir heiraten wollen. Und dann gehen wir weg, und ich lache. Und dann heiraten wir, in Venedig, und dann wird alles gut. Es wird später, aber ganz langsam. Und sie sind nicht da. Wahrscheinlich lieben sie sich gerade irgendwo, bei einer heißen Quelle oder so. Ich weiß, daß ich mit Tom nicht glücklich bin. Aber
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