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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Autoren: Sibylle Berg
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immer dunkler, immer enger. Neben Helge liegt ein Kanal im Wasser. Freitag drängt sich dicht an Helge. Sehr dicht. So dicht, daß Helge in den Kanal fällt. Mit irgendwas auf dem Kopf, das ein Schlag gewesen sein könnte. Denkt er nichts mehr. Noch nicht einmal mehr, wieso er jemals mit einer Frau zusammen hatte sein können, weil Frauen ja doch immer denken wollen. Mit dem auf dem Kopf, was ein Schlag von Freitag gewesen sein konnte, geht Helge unter, im drecki-gen Kanalwasser von Venedig. Und eigentlich hätte er froh sein können, denn sterben wollte er doch Aber das es so sein würde, hatte er sich gar nicht recht vorstellen können.
    Daß die Benommenheit weicht, vielleicht nur für Sekun-denteile, weil der Schmerz sie beiseite nimmt. Die Lungen sich mit Wasser füllen. Mit verfaultem, stinkendem Wasser. Was die Lungen platzen läßt, den Körper zerreißt, der Schmerz. Und gar nicht mehr denken. Nur den Schmerz lossein wollen und Luft haben. Bitte Luft, sagt der Körper.
    Und bettelt. Luft gibt's nicht. Gestorben wird. Will nicht sterben, schreit irgend etwas, alles schreit. Will nicht sterben. Muß gestorben sein. Dreckiges Kanalwasser. Füllt den Körper aus. Das Hirn, das Herz, schwimmen in Fäulnis.
    Will nicht sterben. Japst der Mund, bekommt nur noch mehr Wasser. Und so kann Helge einfach nicht froh sein, als er nun doch endlich stirbt, weil das war es doch, was er wollte, kann er sich nicht recht dran erfreuen. Aber vielleicht kann das niemand beim Ersaufen.
    BETTINA und ihr Bekannter sind nach Marrakesch gefahren Platz der Geköpften. Fackeln und Feuer in der Nacht. Köpfen sollte man sie alle. Ihre zahnlosen Araberschädel auf Lanzen spießen. Die raushängenden Zungen mit Dart-pfeilen löchern. Die Ohren auf einen Haufen. Es stinkt.
    Nach gebratenem, halbgaren Fleisch, nach Pisse, nach un-gewaschenem Mensch. Bettina ist eindeutig nicht gut drauf. Schaut in den Nachthimmel, der rot ist von den Feu-ern auf dem Platz. Stellt sich die Stadt brennend vor, die Menschen einander in Panik tottrampelnd. Schaut zu dem Mann rüber, der neben ihr sitzt, im Cafe Glacier. Zufrieden seinen Minztee trinkt. Den Platz anschaut und nicht sie.
    Sie nicht wahrnimmt. Trotz der alten Hexe. Nichts geändert. Nichts anders geworden. Scheiß-Marrakesch, Scheiß Liebe. Eine schlechter Ausflug. Überall diese Katzen. Ein paar in den engen Gassen steckengeblieben, skelettiert, ein blödes Grinsen im Katzengesicht, dem toten. Alle debil hier, alle ungewaschen. Bettina ist wirklich nicht gut drauf.
    Sitzt versteinert neben dem Mann im Cafe Glacier am Platz. Ist ihr klar, daß es nicht weitergehen wird mit dem Mann? Sich ihre Bilder nicht erfüllen werden? Der Mann schaut sie mal an, als sie nicht schaut und seufzt auf. Warum Frauen alles so kompliziert machen müssen. Dann fängt es an zu regnen. Der Platz unter Wasser, Bettina und der Mann unter Wasser, Tränen im Gesicht, Rotz aus der Nase. Und so endet der Ausflug nach Marrakesch so richtig beschissen.
    BETTINA kriegt einen Auftrag
    Gleich weiterfahren. Wegfahren. Weit weg. Sinnlose Berufe haben Vorteile. Weit-weg-Vorteile. Weg aus Marrakesch. Drei Wochen. Bezahlter Trennungsurlaub. Der Mann, den ich liebe, der Mann, der mich nicht liebt, steht hinter der Menschen-ohne -Ticket-Sperre am Flughafen und winkt, so wie der Lauf einer toten Spinne nachbebt, die Hand in der Luft. Die Augen schon weg. Der Mann, der vielleicht eine andere liebt oder nicht mal sich, und ich steh da, zerrissen durch diese blöde Sperre. Rausgerissen das Herz. Liegt auf dem Boden und leckt an den Füßen des Mannes herum. Der läßt dem Körper den Augen folgen, Weg und flucht, weil da was klemmt, was Schmieriges unter dem Schuh. Die roten Haare des Mannes bleiben noch in meinem Auge, wie wenn ich zu lange in die Sonne ge-schaut hätte, und mein leerer Körper macht sich auf eine.
    weite Reise. Ist doch das einzige, was hilft gegen Nichtge-liebtsein, neben dem Tod. Gestorben bin ich schon zu oft.
    Das wird fad, und drum fahr ich weg aus der Stadt der Er-niedrigung, weg aus dem Regen. Das Flugzeug fliegt nach Hongkong. Das glauben jedenfalls alle, die in dem Flugzeug sitzen. Ich weiß es besser. Weiß, daß Flugzeuge am Boden stehenbleiben und nach einigen Stunden ausge-feimter Wolkenprojektionen nur die Kulissen beim Aussteigen der Menschen geändert werden. Die Kulissen in Hongkong sind gut. Aus dem Regen schimmern Himmelsbegrenzungen, die Hochhäuser sein könnten, oder Wolken, Berge, vielleicht gar der
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