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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben
Autoren: Carol O'Connell
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Fingern verschob sich ein kleiner Holzklotz. Sie drückte auf den Knopf, den sie darunter fand, und der Keller versank in Dunkelheit. Mit der Taschenlampe in der Hand und dem Wachskopf unter dem Arm ging sie auf die Pirsch.
    Wieder zuckte ein Blitz durch die Nacht, und sekundenlang war Gaynor ganz deutlich zu sehen. Den Revolver – es war eine kurzläufige Waffe, nicht ihr Colt – hatte er in glänzende Plastikfolie gewickelt. Wie viele Kugeln waren noch drin? Zwei hatten, soviel hatte sie vorhin gerade noch mitbekommen, Charles getroffen. In ihrem Colt war ein volles Magazin. Sie stellte Max Candles Kopf auf einem Schiffskoffer ab, holte eine Handvoll Kleingeld aus der Tasche, trat zurück und warf die Münzen in Richtung des Koffers. Dann knipste sie die Taschenlampe an und richtete den Lichtstrahl auf die Wachsfigur.
    Ein Schuß peitschte durch die Dunkelheit, die Kugel flog weit an dem Wachskopf vorbei. Gaynor reagierte demnach langsam und war ein schlechter Schütze. Sie ließ eine Münze zu Boden fallen und leuchtete kurz ihr eigenes Gesicht an. Die nächste Kugel pfiff dort vorbei, wo sie gerade noch gestanden hatte.
    Ihr Fuß stieß an etwas Hartes. Sie bückte sich. Ein Stück Eisenrohr. Beruhigend schwer lag es in ihrer Hand. Prickelnde Erregung hatte sie erfaßt, als ginge sie auf einen Liebhaber zu und nicht auf einen Mann, den sie blutig und bewußtlos schlagen, den sie in den Tod schicken wollte. Schritt für Schritt bewegte sie sich weiter durch den Regen, den der Wind durchs Fenster wehte.
    Wieder leuchtete sie ihr Gesicht an.
    Gaynor drückte ab, aber man hörte nur ein leises Klicken. Es war keine Kugel mehr in der Kammer. Das zweite Klicken übertönte ein lauter Schuß, dem grollender Donner folgte. Es war fast wie Zauberei. Als habe die Kugel kehrtgemacht und den Schützen durchbohrt. Gaynor stürzte mit rudernden Armen hintenüber, die Kugel hatte ihn an der Schulter erwischt. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck dumpfer Fassungslosigkeit, er sah aus wie eine Vogelscheuche aus Stroh, die krumm und schief im Kornfeld liegt. Der Revolver fiel ihm aus der Hand und schlitterte über den Boden.
    Mallory knipste die Taschenlampe aus und beobachtete schweigend, wie Edith sich an den regungslosen Gaynor heranmachte. Sie hatte Mallorys Colt in der Hand. Mallory zog sich hinter den Schiffskoffer zurück, auf dem Max’ Wachskopf stand, während Edith sich, den Revolver im Anschlag, suchend umsah. Geräuschlos ging Mallory um einen Kistenstapel herum, packte von hinten die Handgelenke der alten Dame und entwand ihr mit einer raschen Bewegung die Waffe.
    Edith schnappte nach Luft und drehte den Kopf. Das matte Licht, das durch das Kellerfenster kam, fiel auf das faltige Gesicht. Ihr Lächeln kam zu schnell, war zu breit. »Da sind Sie ja, Kathy! Gott sei Dank! Und ich dachte schon, es hätte Sie erwischt.«
    »Geschenkt!«
    Mallory hockte sich neben Gaynor und stellte unzufrieden fest, daß er noch atmete. Er war mit dem Kopf an die Wand geschlagen und bewußtlos, aber die Wunde war nicht lebensbedrohend.
    Und sie hielt einen Revolver in der Hand.
    »Töten Sie ihn«, sagte Edith. Sie trat dicht an Gaynor heran und kniete sich ebenfalls hin. »Bringen Sie es zu Ende«, flüsterte sie Mallory ins Ohr. Die blauen Augen wurden noch größer. »Keiner wird es je erfahren.«
    »Das könnte Ihnen so passen, Edith.«
    Markowitz würde es ganz und gar nicht passen.
    Mallory blickte auf Gaynor hinunter. Markowitz’ Mörder war in ihrer Gewalt. »Wenn ich Sie bitten würde, nach oben zu gehen, um den Krankenwagen zu rufen … Nein, das ist wohl zu viel verlangt.« Sie hob den Revolver auf, an dem ein Stückchen geschmolzener Plastikfolie klebte. Gaynor hatte nicht schnell genug geschossen, eine Kugel steckte noch in der Kammer. Sie zog das Plastik ab und faßte den Revolver mit zwei Fingern an der angerauhten Seite des Griffs. Die alte Dame sah mit glitzernden Augen auf die Waffe.
    Mallory fühlte Gaynors Puls und hob ein Lid. Er würde nicht so bald wieder zu sich kommen. »Ich rufe den Krankenwagen. Den Revolver werden Sie kaum brauchen.«
    Sie knüllte den Plastikbeutel zusammen, der heruntergefallen war, und schob ihn unter ihre Jacke.
    »Verstehe«, sagte Edith und nickte lächelnd vor sich hin.
    Mallory drehte sich um und ging rasch zum Ausgang. An der Kellertür schraubte sie die Birne in die Fassung, und als sie wieder im Licht stand, war sie drauf und dran umzudrehen, im letzten Moment rückgängig zu
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