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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben
Autoren: Carol O'Connell
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zu mir?«
    »Sie ergibt sich durch die Reihenfolge der Morde. Mrs. Siddon kam nach Pearl Whitman. Trotz einiger Vorbehalte folgte ich schließlich Mallorys Argumentation, daß es zwar vier Morde, aber nur eine Zielperson gab. Pearl Whitman hinterließ keine Erben, ihr Tod nützte niemandem, folglich sollte mit diesem Mord nur der Verdacht auf Henry Cathery gelenkt werden.«
    »Man könnte es natürlich auch so sehen, daß Pearl ihre Meinung geändert hatte und nicht mehr bereit war, Henry ein hieb- und stichfestes Alibi für den Mord an seiner Großmutter zu geben.«
    »So sehe ich es nicht. Ein junger Mann, der sich auf ein einfaches Leben, auf ein Mindestmaß an Ablenkungen eingestellt hat, würde nie vier Morde durchziehen können – oder wollen. Und ganz gewiß nicht aus Habgier. Offenbar wußten Sie nicht, daß ihm jetzt ein eigenes, sehr beträchtliches Vermögen zur Verfügung steht. Sie waren sichtlich überrascht. Ärgerlich, was?«
    »Schweifen Sie nicht immer ab. Wieso habe ich mich durch Samantha Siddon verraten?«
    »Samantha Siddon war eine sehr aufschlußreiche Abweichung von dem üblichen Muster, und wir waren ja alle auf Muster und gemeinsame Motive fixiert. Auch das Haus, in dem Louis und Pearl Whitman starben, paßte nicht in den bisher gewohnten Ablauf, dachte ich – bis ich begriff, daß mit einer Ausnahme alles war wie sonst.«
    »Sie schweifen schon wieder ab, Charles.«
    »Pardon! Wichtig bei den Morden ist, wie gesagt, die Reihenfolge. Sie ermordeten zunächst Anne Cathery, um den Verdacht auf Henry zu lenken. Wunderlich und menschenscheu, wie er war, schien das vielversprechend. Aber selbst wenn man ihn verhaftet hätte – es gab keine Zeugen, kein Beweismaterial. Und ein millionenschwerer Junge wie er wäre vermutlich auf Kaution wieder freigekommen. Sie brauchten also nicht zu befürchten, daß er noch in Polizeigewahrsam war, wenn Sie Ihre Tante umbrachten. Allerdings hatten Sie nicht damit gerechnet, daß er nach dem zweiten Besuch der Polizei Pearl Whitman dazu bringen würde, ihm ein Alibi zu verschaffen. Deshalb mußte Miss Whitman beseitigt werden. Für Markowitz war das vorhersehbar, als er nach dem Tod Ihrer Tante durchschaut hatte, daß Henry Cathery als Sündenbock herhalten sollte. Er ging dem Geldmotiv nach.«
    Gaynor versetzte der Lampe einen Tritt, und der veränderte Lichteinfall ließ seinen Schatten schrumpfen. »So simpel kann es nicht gewesen sein.«
    »War es ein Schock für Sie, als er Pearl Whitman in das Abrißhaus folgte? Ich denke schon. Vermutlich dachten Sie in diesem Moment, alles sei aus. Vor lauter Schreck haben Sie den Kunststoffsack am Tatort liegen lassen, er ist auf den Fotos zu sehen.«
    »Samantha Siddon«, zischte Gaynor und machte einen jähen Ausfall mit dem Messer.
    »Ja, das letzte Opfer. Ein folgerichtiger Schritt, wenn nach Markowitz’ Theorie die Tat Henry Cathery in die Schuhe geschoben werden sollte. Sie kannten die symbiotische Beziehung zwischen Henry und Margot. Inzwischen wohnten Sie schon mehrere Monate am Gramercy Square und hatten die beiden vermutlich öfter zusammen gesehen. Für Sie waren alle Einzelheiten aus Henrys Tagesablauf von Interesse. Sie konnten sich nicht darauf verlassen, daß Henry für alle Morde ohne Alibi dastand, und zogen deshalb Margot Siddon, die einzige ihm nahestehende Person, in die Sache hinein. Damit wollten Sie ihre Glaubwürdigkeit als Zeugin erschüttern und der Polizei den Gedanken an ein Komplott nahebringen.«
    »Ich habe für den Mord an Samantha Siddon ein unangreifbares Alibi.«
    »Vielleicht sollten Sie da nicht so sehr auf Mallory bauen. Sie hatten natürlich gemerkt, daß sie am Gramercy Square auf der Lauer lag und Ihnen auf den Campus folgte. Mallorys Schwachstelle ist ihre Schönheit – oder vielmehr die Tatsache, daß sie sich dieser Schönheit nicht bewußt ist, sondern ernstlich glaubt, sich völlig unauffällig bewegen zu können. Sie wußten, daß Mallory hinter Ihnen her war, und nutzten das für Ihr Alibi.«
    »Sie hat mich nie länger als zwanzig Minuten aus den Augen gelassen.«
    »Neunzehn. Ihre Aufzeichnungen sind sehr präzise. Sie hat sogar notiert, wie sich beim Spielen Ihre Bewegungen veränderten. Sie haben eine ausgesprochen linkische Körpersprache, können aber diese Unbeholfenheit ablegen, wenn es sein muß. Auf der Bühne bewegten Sie sich fast elegant.«
    »Die Fahrt zum Gramercy Park, den Mord an einer alten Frau und die Rückkehr ins Theater – das schafft man
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