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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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kam ein Farmer zu mir und berichtete, daß eine Anakonda in der vergangenen Nacht sein Hühnergehege überfallen und zwei Hennen geraubt habe. Er war der Schlangenspur durch das niedergedrückte Gras und Kraut bis zu dem Sumpf hinter seiner Farm gefolgt, und er sagte, er wisse, wo die Anakonda jetzt läge und ihre Mahlzeit verdaute. Er sei bereit, mich dorthin zu führen, wenn ich das Reptil fangen wollte.
    Wir machten uns hoch zu Roß auf den Weg und umkreisten den Sumpf zu der Stelle hin, wo sich die Schlange ausruhen sollte. Obwohl wir uns vorsichtig näherten, nahm uns die Anakonda wahr, und nichts war von ihr zu sehen außer dem Gekräusel, während sie schnell durch das Wasser schwamm. Wegen der Tiefe des Wassers konnten wir ihr zu Pferde nicht rasch genug folgen; es blieb uns also nichts anderes übrig, als ihr nachzuwaten. Ich sprang ab, ergriff einen mitgenommenen Sack und lief so flink wie möglich in der Richtung, welche die Schlange eingeschlagen hatte. Sie schlängelte sich dem Rand des Sumpfes zu, offensichtlich bestrebt, dort im Unterholz zu verschwinden und mir zu entrinnen; doch durch die Hühnermahlzeit war sie so aufgebläht, daß sie keine große Geschwindigkeit zu entfalten vermochte, und ich fing sie im niedrigen Gras am Ufer, bevor sie das Gebüsch erreicht hatte.
    Eine Riesenschlange zu fangen, ist an sich leicht: Man packt sie am Schwanz, zieht sie heraus und versucht sie dann fest hinter dem Kopf zu fassen. Genau das tat ich; ich zerrte das zornige Reptil aus dem Gestrüpp und nahm sie hinter dem Kopf, ehe sie sich umkehren und mich angreifen konnte. Da sie nur ungefähr einen Meter lang war, konnte ich allein mit ihr fertig werden. Wäre sie größer gewesen, so hätte mir jemand zu Hilfe kommen müssen. Nachdem ich sie fest hinter dem Kopf hielt, ließ ich sie einfach ins Gras baumeln und wartete, bis mein Gefährte herzugekommen war. Mit seinem Beistand gelang es mir dann, das zappelnde, zischende, außerordentlich wütende Reptil in den Sack zu stecken.
    Beim Fang einer Schlange, auch einer solchen Anakonda, ist es notwendig, sie nach der Ankunft im Lager zu untersuchen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Mag man auch noch so behutsam mit ihr umgegangen sein, es besteht immer die Gefahr, daß man ihr beim Fang eine der sehr zarten Rippen gebrochen hat, und eine gebrochene Rippe kann große Unannehmlichkeiten verursachen. Außerdem muß man die Schlange auf Zecken untersuchen. Schlangen können geradezu bedeckt von Zecken sein, von denen sie sich kaum zu befreien vermögen. Die Zecken heften sich an die dünne Haut zwischen den Schuppen, manchmal in derartiger Zahl, daß die Schuppen abfallen und ein häßlicher kahler Fleck entzündeter Haut zurückbleibt. Darum ist es sehr wichtig, die Zecken abzulesen, sonst ist das Aussehen der Schlange verdorben.
    Eine Zecke kann man aber nicht einfach herausreißen. Der Kopf würde steckenbleiben, und dann entsteht eine Entzündung, die zu einem bösen Geschwür werden kann. Am besten entfernt man die Zecken mit Paraffin, oder man berührt sie mit einer brennenden Zigarette, worauf sie die Haut von selbst loslassen und abfallen.
    Ferner muß man nachsehen, ob das Reptil irgendwelche alten Wunden hat, die zu behandeln wären. Wenn sich eine Schlange häutet — was im Verlauf des Jahres regelmäßig geschieht — , läßt sie eine durchsichtige Haut zurück, ein Abbild ihrer selbst, an der nichts fehlen darf, auch nicht die beiden Schuppen, die ihre lidlosen Augen bedecken und wie winzige Uhrgläser aussehen. Wenn sich die Schlange durch Dornbüsche und Gestein windet, um die alte Haut abzustreifen, geschieht es jedoch manchmal, daß die beiden Uhrglas-Schuppen an den Augen bleiben, obwohl sie sich sonst ganz gehäutet hat. Das ruft teilweise Blindheit hervor, und wenn die Schuppen allzu lange haften bleiben, kann das Tier vollständig erblinden. Deshalb muß man bei einer neugefangenen Schlange immer untersuchen, ob ihre Augen bei der letzten Häutung von den beiden Uhrglas-Schuppen befreit worden sind.

Siebzehntes Kapitel

Cai die Nachtäffin, Puh der Krabbenwaschbär und Sarah Huckepack die kleine Große Ameisenbärin

    Im Chaco kommen nicht viele Affenarten vor, aber während unseres dortigen Aufenthaltes hatten wir das Glück, einen Vertreter der seltensten und sonderbarsten Art zu erhalten. Es ist der Durakuli oder Mirikina, der einzige Nachtaffe, den man kennt. Er hat ungeheure Augen, ähnlich einer Eule, ist auf dem Rücken silbergrau und an
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